Insolvenz

Die Pleite kommt im nächsten Jahr

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Symbolbild.(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Üppige Staatshilfen drücken die Zahl der Firmenpleiten heuer auf den Stand von 1990. Diese Insolvenzverschleppung „verstopft die Wirtschaft“, warnt die Creditreform.

Wien. Von der beliebten Pizzakette Vapiano bis zur Skandalbank aus Mattersburg. Auch 2020 landeten spektakuläre Konkurse in den Schlagzeilen. Doch sie waren die Ausnahme. Die befürchtete Insolvenzwelle im Coronajahr blieb aus. Trotz der Jahrhundertrezession mussten heuer so wenig heimische Unternehmen Insolvenz anmelden, wie zuletzt vor 30 Jahren, meldet der Gläubigerschutzverband Creditreform. Die Zahl der Firmenpleiten schrumpfte um 41,5 Prozent auf knapp über 3000. Auch die Privatkonkurse gingen mehr als ein Viertel zurück.

Grund zur Freude ist das aber nicht. Der Staat hat den historischen Rückgang mit milliardenschweren Hilfsgeldern teuer erkauft. Auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist eine Erklärung für die scheinbare Krisenfestigkeit der heimischen Unternehmen. Sowohl Finanzämter als auch Sozialversicherungsträger, die normalerweise jede zweite Insolvenz anstoßen, halten in der Krise still.

Die Folge sind 50.000 „Zombies“ in der heimischen Wirtschaft, sagt Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer zur „Presse“. Darunter versteht der Gläubigerschützer jene Unternehmen, die mindestens drei Jahre lang kein positives Betriebsergebnis mehr erwirtschaftet haben. Jahrelang hätten diese Betriebe nur dank der Niedrigzinsen überleben können, nun zögere der Staat ihr Ende weiter hinaus. Nicht alle von ihnen hätten während der laufenden Krise zusperren müssen. Im Normalfall hätte es aber zumindest doppelt so viele Insolvenzen geben müssen, als heuer registriert wurden.

„Irgendwann wird es uns erwischen“

Besonders auffällig war diese Entwicklung im stark vom Tourismus abhängigen Westen Österreichs. In Tirol sank die Zahl der Insolvenzanträge um 57,5 Prozent, in Vorarlberg um 51,5 Prozent und in Salzburg um 50,6 Prozent. Das sei eine „abnormale Insolvenzentwicklung, in der sich die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Unternehmen nicht widerspiegelt“, sagt Weinhofer. Er fordert, dass das Insolvenzrecht wieder volle Gültigkeit erlange, damit eine Marktbereinigung möglich sei. „Irgendwann 2021 wird es uns erwischen“, sagt er. Rund 10.000 Unternehmen würden in den kommenden beiden Jahren noch verspätet an den Folgen der Pandemie sterben. In Deutschland, das bei den Hilfen etwas sparsamer war, sank die Zahl der Pleiten heuer zwar auch, allerdings deutlich weniger stark als in Österreich.

Das Verschleppen der Insolvenzen ist nicht nur teuer für die Steuerzahler, sondern auch problematisch für gesunde Unternehmen auf dem Markt. „Die Wirtschaft wird verstopft“, erklärt der Experte. Denn Unternehmen, die mit Steuergeld künstlich am Leben gehalten werden, binden qualifizierte Mitarbeiter, die anderswo gebraucht werden. Sie gehen zudem mitunter mit Kampfpreisen in den Wettbewerb, um sich zumindest Umsatz und damit Liquidität zu sichern.

Die Unternehmen, die heuer dennoch Insolvenz anmelden mussten, nannten den Mangel an Kapital als Hauptgrund dafür. Wie das trotz Geldschwemme der Notenbanken und Regierungen möglich ist? Viele Klein- und Kleinstunternehmen hätten sich nicht rechtzeitig um staatliche Hilfen gekümmert – oder seien mit den Anträgen überfordert gewesen, so die Einschätzung der Creditreform.

Ähnlich wie bei den Unternehmen gingen heuer auch die Privatinsolvenzen in Österreich kräftig zurück. Trotz der Wirtschaftskrise sank die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren um knapp 27 Prozent auf 7300. „Die Österreicherinnen und Österreicher sparen angesichts der unsicheren Wirtschaftslage und aus Angst um einen möglichen Jobverlust mehr als sonst. Das zeigt auch der bisher schwach anlaufende Weihnachtskonsum“, so Weinhofer. Die Kurzarbeit sowie Kredit- und Zinsmoratorien hätten vielen Menschen finanziell über die Runden geholfen.

Die Aussichten für das kommende Jahr sind nicht unbedingt rosig: „Sollte der Wintertourismus nicht in die Gänge kommen und dadurch weiter viele Jobs verloren gehen, die Wirtschaft und der Binnenkonsum nicht schnellstmöglich nach der erhofften Impfmöglichkeit anspringen, wird der finanzielle Druck auf die Menschen steigen“, sagt der Experte. „Dann werden die Privatinsolvenzen sicher wieder auf mehr als 10.000 Fälle im Jahr steigen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2020)

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