Wort der Woche

Sars-CoV-2 in Tieren

Auch heimische Wild- und Haustiere können sich mit Corona infizieren. Ob das ein Problem ist, ist noch nicht klar. Aber was wäre wenn?

Wenn in absehbarer Zeit genügend Menschen gegen Sars-CoV-2 geimpft sind, wird die Pandemie abebben. Das Virus ist damit aber nicht aus der Welt: Es wird sich weiterhin in nicht geimpften Menschen vermehren – und auch in anderen Lebewesen. Das betrifft nicht nur Fledermäuse und Gürteltiere (von denen „unser“ Coronastamm wohl abstammt), sondern auch viele andere Tierarten. So wurde diese Woche bekannt, dass sich Gorillas im Zoo von San Diego infiziert haben. Gleiches wurde bereits bei Löwen, Tigern, Spitzhörnchen, Frettchen, Nerzen, Mardern, Hamstern oder Hauskatzen nachgewiesen. Nicht angesteckt werden hingegen Mäuse, Schweine oder Hühner; bei Hunden ist man sich noch nicht sicher.

Es gibt zwar laut dem US Center for Disease Control (CDC) bisher keinen Beweis, dass Tiere bei der Verbreitung von Covid-19 eine bedeutsame Rolle spielen. Allerdings kennen wir noch nicht alle Tierarten, die sich infizieren und zu Überträgern werden können. Virologen haben vorsichtshalber zu Social Distancing auch bei Heimtieren aufgerufen: Hundehalter sollten auf Abstand ihrer Vierbeiner zu Passanten achten, und Freigängerkatzen sollten unter Heimquarantäne gesetzt werden.

Das mag übertrieben sein. Doch was, wenn sich tatsächlich eine heimische Wildtierart als schlimmes Virenreservoir entpuppt? Gemeinhin meint man, dass man diese Tiere dann dezimieren müsse. Doch so einfach ist es nicht, wie der französische Ökologe Frédéric Jiguet in Biological Conservation (248, 108693) darlegt: Ein vermehrter Abschuss könnte kontraproduktiv sein und die Gesundheitsrisken sogar verstärken. Denn die natürliche Populationsdynamik ist komplex und kann unerwartete Effekte zeigen, etwa Wanderungsbewegungen oder verstärkte Fortpflanzung von verfolgten Tieren.

Bei Krähen z. B. zeigte sich, dass die Populationen trotz Abschuss von europaweit rund vier Millionen Stück pro Jahr (per Ausnahmegenehmigung, denn eigentlich sind diese hochintelligenten Vögel geschützt) unverändert bleiben. Ähnlich bei Füchsen: Alle Versuche, sie regional deutlich zu dezimieren, schlugen bisher fehl; überdies wuchs die Durchseuchungsrate der überlebenden Tiere mit dem gefährlichen Fuchsbandwurm. Die gleichen Erfahrungen machte man bei Dachsen, die Überträger der Rindertuberkulose sein können.

Unsere herkömmlichen Denkweisen, wie wir mit Mitgeschöpfen umgehen, sind also nicht der Weisheit letzter Ratschluss. Wir brauchen einen viel umfassenderen Blick auf unsere Umwelt.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2021)

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