Lamborghini

Kuntasch!

(c) Didi Sattmann
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Vor fünfzig Jahren wurde von Lamborghini der Supersportwagen erfunden, als Maßstab für die Ewigkeit.

Die Geschichte dreht sich um den Lamborghini Countach und um Gerhard Berger, fängt aber mit Lauda an. Es ist bald 35 Jahre her.
Niki hatte mich gebeten, ihn beim Abholen seines Ferrari GTO aus Modena zu begleiten. Das hatten wir im Mai 1986 auch getan, es war eine fantastische Fahrt, ich war entzückt. Dann hat Lauda sinngemäß gemeint, es würde eine hübsche Abrundung meines Horizonts bedeuten, nun auch Gerhard Bergers Countach zu probieren. Niki hatte es prägnanter formuliert, wie es seine Art war: „Jetzt musst no’ den Gerhard sei’ Gurk’n fahr’n.“

Ehrlich, er hat Gurk’n gesagt, protokolliert auf den Kaaspapierln (heute vielleicht: „auf flüchtigen Protokollen“) des jungen Reporters, wenn er nicht schnell genug das Mikrokabel fürs kleine Olympus fand.
„Die Gurk’n“, damit kam wohl die Hoffart der Ferraris gegenüber den Lamborghinis zum Ausdruck.

Enzo Ferrari war fast zwanzig Jahre älter als Ferruccio Lamborghini, beim Sterben waren sie einander näher (1988, 1993). Beide stammten aus der Emilia-Romagna, einer sehr erdigen Gegend Italiens. Es gab damals wie heute natürlich hübsche Hügel und fantastische mittelständische Betriebe in der Ebene, aber es war auch das Land des Lambrusco, eines zwar gnadenlos pickerten, dennoch schäumenden Rotweins. Wenn man weiß, dass die Ferrari-Mechaniker nie ohne eine Ladung Lambrusco zu den Rennen gereist sind, kriegen wir einen Begriff für diese Erdigkeit des Landstrichs. (Bevor die Blogs der vinifizierten Experten zuschnappen: Ja, wir haben gehört, dass Lambrusco heute auch als trinkbar gekeltert wird, es gibt sogar Lambrusco-Nerds bis Santa Monica, aber ihr müsst mir glauben: Wer seinerzeit in Gastfreundschaft geraten ist, dem hat’s bei der Jause die Ohren eingekringelt.)

Dies nur zur Szenerie, in der Enzo Ferrari ab den 1950er-Jahren seine Rennautos und nebenbei, eher ärgerlich zwecks Geldbeschaffung, auch Straßensportwagen produzierte. Ferruccio Lamborghini, knappe vierzig Kilometer entfernt, baute Traktoren und kaufte sich, quasi aus nachbarschaftlicher Neugier, einen Ferrari, um damit im Weingarten nach dem Rechten zu schauen. Der Digest aus den beliebtesten Legenden sieht so aus: Ferruccio Lamborghini ärgerte sich über seinen allzu oft ,hienigen‘ Ferrari und ließ dem Herrn Enzo F. ausrichten: „Da baue ich lieber selbst Sportwagen und zeig dir, wo der Bartl den Lambrusco holt.“
So geschah es ab 1962. Lamborghini steckte das verfügbare Potenzial an technischer und formgebender Genialität, die damals in Norditalien den Takt für die ganze Welt vorgab (è vero!), in seine Straßenautos, statt sich mit einer Horde von englischen Formel-1-Bastlern zu verzetteln, wie es Ferraris Priorität war.

»Supersportwagen: Dies ist der Vater seines Stammes.«

Die allerersten Lamborghinis gehören schon unbedingt zum Kulturerbe, umso mehr, als der Tick mit den Kampfstieren zu greifen begonnen hat. Wenn Enzo Ferrari aus einem historischen Zufall beim tänzelnden Pferd als Wappentier gelandet war, so besann sich Lamborghini seines Sternzeichens und wählte den wütenden Stier. Ab 1966 bekam jedes Modell den Namen einer Rasse von Kampfstieren. Der tapferste war der Miura, es gab auch Espada, Islero, Jarama. Verlegenheitspause: Welcher Kunde sollte nach den vier tapfersten Stieren einen fünfttapfersten haben wollen?

So hatte das neue Modell von 1971 noch keinen Namen, als es von Bertone zum Genfer Salon transportiert und in Turin umgeladen wurde. Als die Plane vom Auto gezogen wurde, sagte der erste Arbeiter:

„Kuntasch!“
Der zweite: „Kuntasch!“
Ein anderer: „Kuntasch!

Wer ein klein wenig mit dem piemontesischen Dialekt vertraut ist, kennt dies als Ausruf der Begeisterung und des Entzückens, vergleichbar unserem: „A Waunsinn!“

Lamborghini war locker genug, die spontane Namensgebung in Schriftform ins Taufregister zu tragen: „Countach“, mittlerweile millionenfach falsch ausgesprochen. Kauntäk führt in der Hitliste bis zur Westküste (endlich einmal nicht Ostküste), aber wir sind ja im Besitz der Wahrheit. Kuntasch. Das ergibt ein ruhiges Innehalten inmitten von Blitz und Donner.

Denn, das sollte sich erst nach zwanzig, dreißig, vierzig Jahren herausstellen. Der Countach war die Urzelle aller Supersportwagen, und wenn sie sich heute nicht einkriegen mit tausend PS und zwei oder zehn Mio. Euro: Der Countach war der Vater des Stammes, oder aller Stämme, müsste man sagen.

Nichts, was danach kommen mag, würde der alte Lord sagen, nichts könnte meine Neugier wecken.

Weiter in der ersten Niederschrift von 1986, unverzüglich festgenagelt in der Autorevue:

Lauda: „Wenn schon ein Wixauto, dann das richtige.“
„Und wieso kann nur ein Ferrari das Richtige sein?“
„Der ganze Glamour, und die G’schichten vom Commendatore, das ist unvergleichlich. Technisch und optisch bieten diese Irrsinnsautos doch alle ungefähr das Gleiche. Daher kann nur ein Mischmasch an G’spür und Gefühlen den Ausschlag geben. Und die wirklich tollen Gefühle, die kriege ich eben nur beim Ferrari.“

Soweit Lauda. Also rief ich Gerhard Berger an. Er war damals Besitzer eines Modells der jüngsten Countach-Weiterentwicklung, des Quattrovalvole. Ich wollte Gerhard und seinen Countach gern in ihrem natürlichen Umfeld treffen, das war damals Wörgl in Tirol (wäre es auch heute wieder).

Vorweg gesagt: Wir haben auch zu jener Zeit unsere holländischen Straßenkameraden nicht gering geschätzt, umso weniger würden wir das heute in Erinnerung an die Lehr- und Wanderjahre des Niederländers tun.
Trotzdem hatten wir damals noch eine respektlose Art für Verkehrsberichte. Wenn ich lese, dass sich angesichts unseres roten Countach „die Holländer mitsamt ihren Schüsseln über die Böschung hauten“, muss ich mich doch ein wenig wundern.


Tatsächlich war es aber so, dass es ihnen an Gelassenheit mangelte, wenn ihnen der Countach aus einer Bergkurve entgegenwuchs. Die Erregung konnten wir nur zeitversetzt beobachten, wir sahen den nervösen Hacker erst im Rückspiegel, einmal sogar mit Hecht ins Grüne. Man kam sich ein bissl wie ein Holländerfresser vor. Ich kann mich noch erinnern, dass mich die Frage beschäftigte, wie unglaublich viele Holländer es gibt und warum sie alle gleichzeitig in Tirol Urlaub machen. Wie mochte es in Holland aussehen? Wer hält dort das Leben aufrecht?
Müßige Fragen, sagen wir heute, aber die Gäste werden wieder kommen nach Tirol, und alle freuen sich darauf. Unsere Manieren sind besser geworden, versprochen.



Das unvergleichlich Neue am Countach, und das bleibt auch heute und übermorgen sensationell, ist das verrückte, gnadenlose Design gewesen, das sich nicht von vornherein der Funktion untergeordnet hat. Design und Technik schaukelten einander auf. Klar: Alles wäre sinnlos gewesen ohne das perfekte Gerippe. Diesen Rohrrahmen kannst du, so wie er ist, in jedes Museum für Angewandte Kunst der Welt stellen.
Der Designer Marcello Gandini sagte (hey, 1971!): Den Wasserkühler verstecken, irgendwo hinten, damit die Schnauze ganz tief unten beginnen kann, eine Welt der Trapeze eröffnend.

Wenn einer auf die Trapezform abfährt, wenn er ein richtiger Freak in Sachen Trapeze ist, wird er zu zählen anfangen, und bei jedem Rundgang werden es mehr werden: Versteckte Trapeze, angedeutete, überhöhte Trapeze, Trapeze zweiter und dritter Ordnung. Ich bin auf zwanzig Trapeze gekommen, und wenn ich noch einmal zu zählen angefangen hätte, wären es sicher 21 oder 22. Allein wie man den Technikern eine kleine Kathedrale für die Vergaserbatterie errichtet hat (sechs Doppelweber, ah, da schmatzt der Liebhaber). Der 5,2-Liter-Zwölfzylinder schlägt mit 455  PS zu Buch, Null-auf-Hundert in 4,6 sec, Spitze knapp 300, damit macht man auch heute noch ganz gute Figur.
Allerdings, erzählte Berger Matter-of-Factly, wird jenseits der 250 das Heck so leicht, dass du die Zähne zusammenbeißen musst, und wenn du ihn aus Tempo 300 ordentlich zusammenstauchst, sind gleich einmal die Bremsen im Arsch.

Und bei Regen, sagt Gerhard, „wenn du da flott fährst, da hast alle Händ’ und Haxn voll zu tun“, aber trotzdem müsse man sich das hin und wieder geben, und in mancher schnellen Kurve müsse man, nur zwecks der Erfahrung, einen abrupten Lastwechsel provozieren: „Da staunst!“
Auf eigene Mitfahrerlebnisse im vorgeschobenen Bereich habe ich verzichtet, wir sind bloß gegen Abend ins befreundete Ausland gefahren, um den roten Burschen ein wenig laufen zu lassen. Das Durchreißen der kurzen Gänge und der Mörderschub von 100 auf 150 und von 150 auf 200, und wie’s da in den Kaldaunen drückt, das war damals noch ganz neu und irre, die Erinnerung bleibt unvergleichlich, auch weil die modernen Supersportwagen mit Schaltsprungweichmachern funktionieren. Die G-Kräfte bleiben gleich, klar, und die Nase kriegst du nicht mehr nach vorn, wenn du nicht den Nacken von Mike Tyson hast.

Ein Grunderlebnis bleibt natürlich das Ein- und Aussteigen. Hochklappende Türen waren keine Lamborghini-Erfindung, aber im Countach wurden sie zum Über-Gag der Trapezkunst stilisiert. Die Firma Lamborghini hat zwar seit den Countach-Zeiten fünfmal den Besitzer gewechselt, aber die geometrische Kunstform für hochschwingende Türen haben sie nie verlernt, wie sie auch die Gene des Countach nie aufs Spiel gesetzt haben. Seit fünfzehn Jahren sorgt Audi für wirtschaftliche Ruhe in der Firma und fördert die Erregung im Autosegment 300.000 Euro plus. Lamborghini bleibt gegenüber Ferrari extremer in der Anmutung, markanter im Design. Einfach schärfer geschnitten. Vierradantrieb und jede Art elektronischer Finesse sind dazugekommen, aber kein Murciélago und Aventador hat den Spirit des Countach überholt.

Zurück zu unserem Ausflug in Tirol. Der Countach kostete zwei Millionen Schilling, was vor dreißig Jahren ziemlich viel Geld war. Gerhard in seiner logischen, klaren Art (dem Niki Lauda erstaunlich ähnlich) konnte sehr gut erklären, warum er dieses Auto haben sollte, das schönste Auto der Welt.

„Eigentlich machen Autos mein ganzes Leben aus. Alles, was ich bin und hab im Leben, hängt mit Autos zusammen.“ Nicht, dass er das so besonders toll fände, aber so sei es eben, da solle man sich nix vormachen. Und dann sei es doch nur logisch und natürlich, dass sich ein solcher Mensch, sobald er die Möglichkeit dazu hat, das schönste Auto der Welt zulegt.

„Das ist genauso logisch“, sagt Gerhard, „wie bei einem Buchhalter. Der wird doch auch schauen, dass er den schönsten Kugelschreiber hat.“

(C) Beigestellt

Lamborghini Countach 1971–1990

Prototyp 1971 in Genf vorgestellt, ab 74 in Serie. Bis 1990 gab es fünf Weiterentwicklungen plus Sondermodelle. V12-Motoren von 3,9 bis 5,2 Liter. Über die Jahre wurden rund 2000 Exemplare gebaut. Heutige Preise im unteren und mittleren sechsstelligen Bereich, mit Ausreißern nach oben.

Name : Lamborghini Countach QV
Preis : öS 1.980.000,- (1986)
Motor : V-Zwölfzylinder, 5167 ccm
Leistung : 455 PS
Gewicht : 1490 kg
0–100 km/h : 4,6 Sekunden
Vmax : 298 km/h
Verbrauch : ca. 22 l/100 km

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