Großteil der Führungskräfte lehnt Rechtsanspruch auf Homeoffice ab

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Coronavirus - HomeofficeAPA/dpa/Julian Stratenschulte
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Kurz bevor es neue rechtliche Regeln zum Home Office gibt, präsentierte EY eine Erhebung zum Thema: Nur ein knappes Drittel der Unternehmen hat bisher das Thema Teleworking vertraglich geregelt.

Unternehmen sehen für knapp jeden zweiten Angestellten Homeoffice-Möglichkeiten, aber keinen Rechtsanspruch – vertragliche Regelungen erst in jedem dritten Betrieb vorhanden

2020 hat das Home Office salonfähig gemacht - mit all den Stärken und Schwächen dieses Arbeitsortes. Kurz bevor nun die rechtlichen Grundlagen zu diesem Thema vom neuen Arbeitsminister Martin Kocher präsentiert werden, legt die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY eine Erhebung zum Home Office vor. 69 Prozent der Unternehmen ermöglichten bereits vor dem ersten Lockdown im Vorjahr in Einzelfällen oder grundsätzlich Remote Working, doch nur die Hälfte, 51 Prozent, hatte zu diesem Zeitpunkt die technischen Voraussetzungen für Homeoffice implementiert. Ein knappes Viertel (23 Prozent) hat digitale Übergangslösungen, die Hälfte (48 Prozent) (zusätzlich) nachhaltige Lösungen geschaffen. Die bisherige Resonanz ist gut: Überwiegend positive Auswirkungen von Home Office sehen die befragten Führungskräfte vor allem in Bezug auf Arbeitsergebnisse wie auch auf Employer Branding und Führungsverhalten.

Primär für Angestellte – nicht für Arbeiter – möglich

Mehr als jeder dritte Angestellte arbeitet derzeit von zuhause aus, aber nur rund jeder 15. Arbeiter. Derzeit befinden sich bei 96 Prozent der befragten Unternehmen Angestellte im Home Office, bei einem Viertel (26 Proozent) sogar mehr als die Hälfte. Ganz anders stellt sich die Lage für Arbeiter da: Bei sieben von zehn Unternehmen arbeiten alle Arbeiter an ihrem Dienstort, lediglich drei Prozent haben mehr als die Hälfte ihrer Arbeiter im Home Office.

Für die nähere Zukunft gibt es laut Einschätzung der Unternehmen für die Hälfte (47 Prozent) der Angestellten Home-Office-Möglichkeiten – dafür sehen sie nur für acht Prozent aller Arbeiter künftig ebenfalls Chancen, ihre Tätigkeit nach Hause zu verlagern. Vor allem Angestellte öffentlicher Institutionen (60 Prozent) könnten problemlos aus dem Home Office arbeiten, das Schlusslicht bilden Arbeitnehmer aus dem Bereich Handel und Dienstleistungen (35 Prozent).

Arbeitnehmer schöpfen Kapazitäten weitgehend aus

Der Großteil der Arbeitnehmer mit Möglichkeit zu Home Office nimmt dieses auch gerne in Anspruch: Insgesamt gehen mehr als acht von zehn Arbeitnehmern (84 Prozent) derzeit ihrer Tätigkeit in den eigenen vier Wänden nach. Im Bereich Arbeiter sind es sogar 88 Prozent.

„Die Zahlen sprechen für sich – Home Office ist mittlerweile definitiv nicht mehr die Ausnahme, viele haben es bereits fest in der Unternehmenskultur verankert – und diese Möglichkeit wird von Arbeitnehmern auch weitgehend angenommen. Auch in Zukunft sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumeist einig, dass Home Office beibehalten werden soll“, so Regina Karner, Leiterin People Advisory Services und Partnerin bei EY.

Überwiegend positive Auswirkungen sehen die befragten Führungskräfte vor allem in Bezug auf Arbeitsergebnisse und Employer Branding. Das Teamgefühl leidet eher unter den Auswirkungen vom Arbeiten auf Distanz. Fehlender sozialer Kontakt zur Kollegschaft wird dabei von jedem Zweiten (49 Prozent) genannt, auch die Abstimmung innerhalb der Teams ist für 44 Prozent schwierig.

„Die Sorge vor geringerer Produktivität hielt viele Unternehmen vorerst noch davon ab, auf Home Office umzusatteln, doch die Studie zeigt, dass diese Angst weitgehend unbegründet war“, ergänzt Oliver Suchocki, Leiter HR-Consulting und Associate Partner im Bereich People Advisory Services bei EY. Fast zwei Drittel der Führungskräfte (63 Prozent) schätzen die Produktivität der Mitarbeiter im Home Office gleich hoch ein wie beim Arbeiten im Betrieb. 16 Prozent gehen sogar von gesteigerter Mitarbeiterproduktivität aus, 21 Prozent hingegen bewerten die produktive Leistung geringer.

Flexibilität bei Arbeitsbereichen und Rahmenbedingungen

Im Durchschnitt wünschen sich die Arbeitnehmer 1,9 Tage Home Office pro Woche – Arbeitgeber halten zwei Tage für sinnvoll. Am höchsten ist dieser Wunschwert im Bereich Handel und Dienstleistungen mit zwei Tagen pro Woche, am niedrigsten mit 1,4 Tagen bei öffentlichen Institutionen. Gut jede vierte Führungskraft (26 Prozent) wünscht sich in Zukunft drei oder mehr Home Office-Tage pro Arbeitswoche.

Die große Mehrheit (83 Prozent) der Führungskräfte favorisiert, den Remote-Working-Anspruch unternehmensspezifisch festzulegen und lehnen einen Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Home Office ab. Nur zwölf Prozent erachten einen solchen Rechtsanspruch als sinnvoll. Speziell Industriebetriebe (87 Prozent) und Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern setzen auf individuelle Lösungen.

Vier von zehn Führungskräften (40 Prozent) halten die derzeitigen arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen (Höchstarbeitszeit, Überstunden, Ruhezeiten etc.) mit einer Home Office-Tätigkeit in Bezug auf den Großteil der Mitarbeiter für kompatibel, weitere 20 Prozent zumindest für einzelne Abteilungen. Nur zwei Prozent der Unternehmen sehen keine Kompatibilität der aktuellen arbeitszeitlichen Rahmenbedingungen mit einer Tätigkeit im Home Office. Jedoch halten Führungskräfte die Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Home Office durchgehend für wichtig.

Gegenseitiges Vertrauen als Basis

Vertrauen und Sicherheit spielen bei einer Verlegung des Arbeitsplatzes nach Hause eine große Rolle. Drei Viertel der Unternehmen (74 Prozent) halten ihre aktuellen Schutzvorkehrungen für uneingeschränkt ausreichend, um Datensicherheit und Vertraulichkeit im Home Office zu gewährleisten. Weitere 13 Prozent halten sie für „eher ausreichend“. Nur jedes 20. Unternehmen (5 Prozent) bewertet die eigenen Schutzvorkehrungen als nicht ausreichend. Eine Evaluierung des Arbeitsplatzes in den eigenen Wänden der Arbeitnehmer kommt für drei von vier Führungskräften (76 Prozent) nicht in Frage – nur acht Prozent der Unternehmen, die bereits Home Office anbieten, haben die Arbeitsplätze der Mitarbeiter im Home Office evaluiert, z. B. durch Vor-Ort-Besichtigungen oder Fotos. 16 Prozent der Unternehmen geben an, dies noch tun zu wollen.

Die große Mehrheit der Führungskräfte (73 Prozent) bietet ihren Mitarbeiten bereits mehrere Arbeitsbereichsoptionen, zum Beispiel offene Räume, Konferenzzimmer oder Ruhebereiche, an – vier Prozent möchten das künftig tun. Vor allem in der Industrie und bei größeren Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern gibt es mehrere Auswahlmöglichkeiten. Für ein knappes Viertel der Unternehmen ist auch weiterhin nur ein einziger Arbeitsbereich vorstellbar.

Unternehmen wollen weniger für Home Office zahlen

Die große Mehrheit der Unternehmen – 85 Prozent – beteiligt sich nach eigenen Angaben an der Ausstattung des Home Offices ihrer Mitarbeiter. Vor allem werden Arbeitsmittel in Form von Laptops oder Mobiltelefonen zur Verfügung gestellt (78 Prozent). Fast jeder fünfte Betrieb (17 Prozent) bietet zudem Büroausstattung (Bürosessel, Schreibtische usw.), knapp jeder zehnte (9 Prozent) unterstützt durch anteilige Kosten bei Strom oder Telefonie. Am höchsten ist der Anteil der Unternehmen, die sich an der Ausstattung beteiligen, bei öffentlichen Institutionen (93 Prozent), gefolgt von Handel und Dienstleistungen (87 Prozent) sowie Industrie (85 Prozent).

„Nicht nur für viele Arbeitnehmer wird das Home Office zur Selbstverständlichkeit, auch die Arbeitgeber sehen die zu Hause geleistete Arbeit als neue Normalität an. Die Bereitschaft, Home Office außerordentlich zu entlohnen oder monetär zu fördern, sinkt aber dabei“, analysiert Karner. Denn: In Zukunft wollen sich nur mehr 59 Prozent der Unternehmen an der Ausstattung beteiligen. Auch ein Wechsel in der Art der Unterstützung ist erkennbar – die Erstausstattung eines Büros oder Zurverfügungstellung von Arbeitsmittel nimmt künftig nur mehr 15 bzw. 11 Prozent ein, jedes sechste (17 Prozent) Unternehmen würde sich in Zukunft an den Internetkosten im Home Office beteiligen.

Wie hoch die Beteiligungskosten tatsächlich sind, kann die große Mehrheit der Unternehmen nicht sagen. Nur elf Prozent der befragten Führungskräfte von Unternehmen, die bereits Home Office anbieten, können einen Fixbetrag nennen, der pro Mitarbeiter als Kostenbeitrag für das Home Office in Zukunft gezahlt werden würde. Einen monatlichen Unterstützungsbetrag können 13 Prozent der Befragten angeben. Elf Prozent sagen aus, monatlich mit „bis zu EUR 100“ unterstützen zu wollen.

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