Die Ich-Pleite

Was gibt es da zu kichern?

Carolina Frank
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Meine neue Nachbarin muss eine fröhliche Person sein.

Bei mir ist mitten im Lockdown eine neue Nachbarin eingezogen. Ich habe sie zwar noch nicht gesehen, aber sie muss eine fröhliche Person sein. Jedenfalls höre ich sie immer kichern. Und nicht unbedingt leise. Ganze Nachmittage und Abende lang. Mehrmals pro Woche. Ich würde sagen: Im Kichern könnte meine neue Nachbarin womöglich einen Weltrekord knacken. Ich bin natürlich überhaupt nicht neugierig, aber man fragt sich: Was gibt es da zu kichern? Der Tonlage nach zu urteilen ist mindestens eine weitere weibliche Person beteiligt. Vielleicht ein Freundinnenspieleabend plus eine erhebliche Menge Alkohol. Oder ein Freundinnenserienabend plus eine erhebliche Menge Alkohol. Oder nur eine erhebliche Menge Alkohol. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich die neue Nachbarin willkommen heiße. Wäre ich eine von den "Desperate Housewives", sagen wir: Bree, würde ich wahrscheinlich mit einem hübschen Weidenkörbchen voller selbst gebackener Muffins und einem Haifischlächeln erscheinen.

Sie würde mich hereinbitten, und ich würde ihr bei einem Tässchen Tee ungefragt von der Vergangenheit erzählen. Zum Beispiel, wer früher in ihrer Wohnung gewohnt hat. Eine alte Frau, die ganz plötzlich verstorben sei. Sie sei tagelang in ihrer Wohnung gelegen, ohne dass sie jemandem abgegangen sei. Die Zeitungen hätten sich schon vor der Tür gestapelt. Aber sie solle sich keine Sorgen machen, inzwischen sei die Wohnung renoviert worden. Und ich persönlich glaubte auch nicht an so etwas wie einen Genius Loci oder gar an Geister, die einem in der Nacht erscheinen und laut kichern. Aber da ich nun mal keine "Desperate Housewive" bin, sondern nur eine desperate Homeworkerin, werde ich einfach meine Kopfhörer aufsetzen.

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