Verhandlungen

Erste Etappe auf dem Weg zu einem geeinten Libyen

Das 75-köpfige „Politische Dialogforum Libyens“ wählt in Genf eine neue gemeinsame Staatsspitze. Sie soll das Land Richtung Frieden lenken und Wahlen am 24. Dezember organisieren.

Tunis. Am Freitag um 15.38 Uhr war es so weit. Beifall hallte durch den Saal im Genfer Völkerbundpalast, als die UN-Gesandte für Libyen, Stephanie Williams, das Endergebnis der Wahl der neuen Staatsspitze Libyens verlas und von einem „historischen Augenblick“ sprach. „Sie haben Ihre Differenzen überwunden und die Herausforderungen gemeistert zum Wohle Ihres Landes“, lobte sie am Ende des fünftägigen Wahlmarathons die 75 Delegierten des „Politischen Dialogforums von Libyen“ (LPDF). Dessen Plenum setzte sich zusammen aus Vertretern aller drei Großregionen: Tripolitanien im Westen, Kyrenaika im Osten und Fessan im Süden.

Die neue Interimsführung besteht aus einem dreiköpfigen Präsidialrat und einem Premier. Dieses Quartett soll in den kommenden Monaten das tief gespaltene Land ein Stück weit einen und für 24. Dezember Parlaments- und Präsidentenwahlen organisieren, bei denen die jetzt Gewählten nicht mehr antreten dürfen.

Mit einer Mehrheit von 39 Stimmen wählten die Delegierten überraschend den libyschen Diplomaten Mohammad Younes Menfi zum Vorsitzenden des Präsidialrats. Er genießt breite Unterstützung im Osten des Landes. Seine beiden Stellvertreter sind Mossa al-Koni aus dem Süden und Abdullah Hussein al-Lafi aus dem Westen. Künftiger Premier wird Abdul Hamid Mohammed Dbeibah aus Tripolis, ein schon unter Diktator Muammar al-Gaddafi erfolgreicher Geschäftsmann, der mächtige Stammesführer hinter sich weiß.

Söldner zogen nicht ab

Die Wahl der neuen Staatsspitze ist Ergebnis eines mehr als zwölfmonatigen Prozesses, der vor einem Jahr mit der Libyen-Konferenz in Berlin ihren Ausgang nahm. Nach dem Scheitern der Offensive des Kriegsherren Khalifa Haftar gegen Tripolis, schlossen beide Seiten im Oktober 2020 einen Waffenstillstand, der bisher weitgehend eingehalten wird. Welche Kraftanstrengungen aber nötig sind, um das Land zu befrieden, zeigte sich erst vor Kurzem: Bis 23. Jänner sollten die 20.000 ausländischen Söldner, die auf beiden Seiten kämpfen, abziehen. Doch keine der Kriegsparteien kam dem nach. Auch um das UN-Waffenembargo schert sich niemand.

Um in der fragilen Übergangsphase ein Wiederaufflammen der Kämpfe zu verhindern, forderte der UN-Sicherheitsrat am Donnerstag UN-Generalsekretär António Guterres auf, ein Kontingent unbewaffneter Beobachter nach Libyen zu schicken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2021)

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