An der Elbe bei Dessau erinnert nichts mehr an Wallensteins Schlacht im Dreißigjährigen Krieg (25. April 1626).
Ostdeutsche Kulturreise

Sachsen-Anhalt: Wallensteins Sieg an der Biegung der Elbe

Ins Anhaltinische – nach Dessau-Roßlau – führt diese persönliche Wiederentdeckung. Vom neuen Bauhaus-Museum bis zur Brücke von Wallensteins Schlacht.

»Dass Wallenstein langfristige Absichten pflegte, unterscheidet ihn von den meisten Politikern. (Golo Mann) «

Ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis Wallenstein an der Elbbiegung ankam, fast 50 meiner Lebensjahre. Für mich, eine in Anhalt geborene Autorin, tauchte der geschichtsträchtige Feldmarschall erst kürzlich und unerwartet am Ufer der Elbe auf, dort, wo die Flussbiegung bei Roßlau im Anhalter-Land ein U formt. Zu DDR-Zeiten war vom Anrücken des Oberbefehlshabers der habsburgisch kaiserlichen Armee auf Roßlau an der Elbe so gut wie nichts bekannt. 12.000 Mann auf der Gegenseite, ein Bollwerk an Verteidigung, ein Schlachtfeld mit 4000 Toten und einer der entscheidenden Siege des Dreißigjährigen Krieges – doch Wallenstein kam vor 395 Jahren wohl auf ganz leisen Füßen und ohne Säbelgerassel, denn für die meisten Roßlauer blieb die Schlacht vor ihrem Tor irgendwie bis heute unbemerkt. Wäre da nicht der kleine Ausflug in die weit zurückgedrängte Heimat . . .
Anhalt erstreckt sich südlich des waldreichen Flämings. Die Auenlandschaft von Elbe und Mulde ist in weichgezeichneten Grautönen gehalten. 35 Jahre sind nach meinem Weggang ins Land gegangen. Inzwischen hat man beide Städte zu einer verschmolzen: „Dessau-Roßlau“, verkündet das Ortsschild eine Neuerung. Man kann auch Städte fusionieren, vor allem, wenn man nicht genug Einwohner hat. Noch während meiner Schulzeit vor der Wende im ehrwürdigen Philanthropinum, der von Basedow gegründeten Bildungsanstalt des Philanthropismus, lebten allein in Dessau 100.000 Menschen. Danach wanderten viele ab. Mit der Doppelstadt kam man zumindest wieder auf 80.000.

Gorbatschow steht beim Rathaus

Das berühmte Bauhaus in Dessau entstand 1925/26 nach Plänen von Walter Gropius.
Das berühmte Bauhaus in Dessau entstand 1925/26 nach Plänen von Walter Gropius. (c) Tom Busch

Doch wie hat sich Dessau gemausert! Am Ortseingang erinnert nur noch ein Straßenname an den VEB Waggonbau als größter volkseigener Hersteller von Kühlzügen, die damals in die Sowjetunion gingen. Die graue Industriestadt ist nun farbig geworden. Vor dem Rathaus steht heute ein moderner Einkaufstempel und seit Oktober auch der Befreier persönlich – Michael Gorbatschow auf kleinem Podest, lässig in Steppjacke, den Schlüssel zur Stadt in der Hand. Die Ratsgasse hinunter zeigt sich die Alte Post nun hell, wie sandgestrahlt! Und es gibt sie jetzt gleich zweimal: Der Neorenaissance-Bau mit Adler- und Seepferdchen-Dekor spiegelt sich im neuen Glasbau auf der anderen Straßenseite. Der monumentale Komplex, 2019 von Angela Merkel eröffnet, gilt mit 50.000 Objekten als zweitgrößte Bauhaus-Sammlung der Welt. In seinem Glas fahren gelbe Busse und blaue Bahnen, Radfahrer und Kinderwagen. Seine Fassade spiegelt jede Sekunde Lebenszeit des modernen Dessau – um der Bauhaus- und Unesco-Weltkulturerbe-Stadt ein sichtbares Gewicht zu verleihen.
Für die DDR-Jugend war das Bauhaus nichts groß Besonderes. Es stand etwas abseits, hinter dem Bahnhof, und führte ein Spaziergang vorbei, dann hatte der kleine Betonelefant gegenüber des Gropius-Baus in der Kindheit die größere Aufmerksamkeit. Später lernte man, gänzlich ohne Attitüde, im Lehrsaal des Bauhauses das Schreibmaschinenschreiben und bei diversen Proben auf der Bauhaus-Bühne den Auftritt als Komparsin des Stadttheaters. Heute gilt diese Studiobühne, in Weimar unter Oskar Schlemmer ins Leben gerufen, als legendäres Projekt der Theatermoderne.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.