Grün in der Krise

Gruen Krise Ende Basisdemokratie
Gruen Krise Ende Basisdemokratie(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Die Basisdemokratie, ein 68er-Relikt, ist längst nicht mehr zeitgemäß. Matte Wahlergebnisse wegen unattraktiver, weltfremder Botschaften. Die Bilanz der Grünen ist durchwachsen.

Nicht dass die Namen Stefan Schennach, Heribert Rahdijan und Manfred Rakousky einer breiteren Öffentlichkeit sonderlich bekannt wären. Doch es ist die mit diesen Personen verbundene Kontinuität an Negativschlagzeilen, die den Grünen ein anhaltendes Tief beschert. Das Image der „Chaostruppe“ klebt wieder an ihnen.

Mit Herbert Rahdijan wurde der grüne Bezirksvorsteher in der Josefstadt von der eigenen Basis weggeputscht. Manfred Rakousky wollte sich in Mariahilf nicht die Gemeinderätin Susanne Jerusalem vor die Nase setzen lassen und tritt nun mit einer eigenen „Echt grün“-Liste an. Und in der Vorwoche wechselte dann Stefan Schennach, jahrelang graue Eminenz der Grünen, zur SPÖ – weil ihm in seinem Heimatbezirk Döbling nach 19 Jahren das Bezirksratsmandat verwehrt wurde.

„Ich halte das für medial überbewertet“, meint Grünen-General Stefan Wallner. „Die Grazer SPÖ, bei der eine ganze Führungsriege ausradiert wurde, ist ja auch kein Bundesthema geworden.“

Dieses Wochenende stellt sich Grünen-Chefin Eva Glawischnig auf dem Bundeskongress in Graz erstmals der Wiederwahl. Ihre Amtszeit war bisher kein durchschlagender Erfolg. Die Bilanz ist durchwachsen. Leichte Gewinne stehen leichten Verlusten gegenüber (siehe Grafik). Zum Vergleich: Die Grünen in Deutschland halten derzeit in Umfragen bei 20 Prozent, in Berlin könnten sie sogar stärkste Kraft werden.

97,4 Prozent hat Glawischnig auf dem Parteitag im Jänner 2009 erhalten. Im Oktober 2008 hat sie von Alexander Van der Bellen interimistisch die Führung der Partei übernommen und diese nach ihren Vorstellungen neu ausgerichtet. Die Organisation ist nun straffer als früher, die Entscheidungsabläufe sind schneller. Die Sozial- und Frauenpolitik bekam einen höheren Stellenwert, ebenso die Energie- und Klimapolitik. Themen allerdings, mit denen die Grünen nur selten die Wahrnehmungsschwelle überwinden. In Zeiten der Wirtschaftskrise wäre die Expertise des früheren Volkswirtschaftsprofessors Alexander Van der Bellen wohl mehr gefragt. Und in der Ausländerpolitik, dem Thema der Gegenwart, fehlt den diesbezüglich viel zu einseitigen Grünen einfach das Gespür für die berechtigten Ängste – nicht zuletzt bei den Frauen.

Glawischnig, Mutter zweier kleiner Kinder, ist unbestritten fleißig und zäh. Sie hat es bisher allerdings kaum geschafft, den Grünen eine Perspektive zu geben, eine Botschaft an die Wähler auszusenden: Wofür stehen die Grünen? Wer ist die Zielgruppe? Wohin will die Partei?

Die „Basiswappler“

Die Grünen haben nach wie vor eine etwas altvatrisch wirkende Post-68er-Attitüde, die sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit erscheinen lässt. Bestes Beispiel dafür: die Basisdemokratie. In zahllosen Fraktionskämpfen gestählt, tun „Basiswappler“ nichts lieber, als sich an den erfolgreichen „Promis“ in der Partei zu rächen und diesen dann ihre Mandate zu verwehren – geschehen bei der früheren Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburny oder nun bei Schennach.

„Die Beteiligung möglichst vieler Menschen wird weiterhin ein zentraler grüner Wert bleiben“, sagt Bundesgeschäftsführer Wallner. „Aber man kann sicher die Art der Listenerstellung hinterfragen.“ Die kommunale Ebene werde bei den Grünen in den kommenden Jahren jedenfalls einen noch höheren Stellenwert haben. Denn dort würden die Wahlen, und damit auch die Zukunft der Grünen, entschieden. Die Menschen sollten einen direkten grünen Ansprechpartner vor Ort für ihre Fragen haben.

„Das ist auch ein Teil der Öffnung der Partei“, meint Wallner. Eine Öffnung, auch personell, die gerade von Parteichefin Glawischnig forciert werde. „Ich selbst bin ja das beste Beispiel dafür“, sagt der frühere Caritas-Generalsekretär.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2010)

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