Oft verboten. Macht nichts: Das Netz ist voll mit Profi-Drohnenvideos.
Exkursion

Virtuell reisen: Unterwegs mit der digitalen Krücke

Analoges Reisen hat Pause. Mit digitalen Mitteln halten manche ihre Reiselust in Schach. Die ersetzen das physische Erlebnis nicht. Aber es hilft.

Schauen mit der VR-Brille, interagieren mit den zwei Controllern.
Schauen mit der VR-Brille, interagieren mit den zwei Controllern. Stephane Bernard / Unsplash

Gestern Abend war ich in Island wandern, kein Schmäh. Niemand hat einen PCR-Test, eine Covid-19-Impfung von mir verlangt. Offensichtlich durfte ich eine geologische Exkursion auf ein riesiges Schotterfeld begleiten. Die Wanderschuhe knirschten im Geröll zwischen den Erklärungen zu Gletschern, Erden und Geysiren. Dann erfasste mich ein Lufthauch, und die zauberhafte Landschaft tauchte unter mir weg. Ich landete ein paar Gipfel und Küstenorte weiter. Zum Glück war gestern Sommer in Island, ich trage schließlich nur Jeans, Leiberl, Socken. Denn ich bin in Wien, im Home-Office.Mit einer Virtual-Reality-Brille lässt sich gewissermaßen kurz ausbrechen in einer Zeit, in der man nicht reisen kann, soll oder darf. Nicht, dass all die absolvierten und uns vielleicht noch bevorstehenden Lockdowns den Erwerb einer solchen digitalen Spielerei für Laien unbedingt rechtfertigen würden. Um die Summe für eine VR-Brille hätte man in der guten alten Reisezeit bereits ein Flugticket Wien–Färöer und retour bekommen, die Schweiz mehrtägig mit dem Zug durchqueren können oder doch einmal eine Suite statt einem Standardzimmer gebucht.

Man wird Teil der virtuellen Realität

Künstlich angelegte Landschaft, virtueller Blick auf ein Sight (hier: Gardens by the Bay, Singapur).
Künstlich angelegte Landschaft, virtueller Blick auf ein Sight (hier: Gardens by the Bay, Singapur).Victor Garcia / Unsplash

Aber praktisch ist das Trumm durchaus, wenn es einen überkommt mit der rasenden Sehnsucht nach großen Landschaften, fernen Naturwundern und globalen Denkmälern. Und nach Orten, frei von anderen Touristen – in vielen 3-D-Videos, in die man sich mit der VR-Brille mehr oder weniger lebensecht integrieren kann, scheint es ja, als hätte es derlei Landplagen wie Overtourism nie gegeben. Aber diese Videos im „National Geographic“-Style bringen einen ohnedies dorthin, wo die Spezies Tourist selten vorkommt: So schwebt der virtuell Reisende dann im 360-Grad-Modus über der Abbruchkante der Victoriafälle und imaginiert sich auf einen Vulkan in Kamtschatka. Wie stark einen die High-End-Bilder hineinziehen können, merkt man, wenn sie psychische und physische Reaktionen auslösen. Freude, aber auch Höhenangst zum Beispiel. Auf einer Glasbrücke Hunderte Meter über dem Abgrund zu stehen, sollte man mental aushalten können (chinesische Inlandstouristen mögen das offenbar). Von unterschiedlicher Qualität liefern YouTube und spezielle Apps viel Stoff zu kurzen Fluchten im Segment virtuelle Realität. Zudem bedienen sich auch Tourismusorganisationen, Kulturinstitutionen oder Hotel­betreiber dieses Mediums. Dadurch lassen sich geführte Rundgänge durch Museen, Sehenswürdigkeiten und Hotelpaläste absolvieren. Vieles davon gewinnt, manches verliert aber auch an Glanz aus der aktuellen Coronadistanz. Werden die üppigen Dekore emiratischer Hotelfluchten oder dekadentere Angebote wie Luxuskreuzfahrten noch Bestand haben, wenn wir wieder unbeschwert reisen können? Und die eigentlich drängenden Themen – Klima, Nachhaltigkeit – wieder an Aufmerksamkeit gewinnen?

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