Kunstlicht

Vor einem Jahr, im Zug aus Linz, hörte das „Jetzt“ zu pochen auf

Spiegler
  • Drucken

Ein Bild in meiner Küche erinnert mich daran, dass die Gegenwart einen Herzschlag hat. Und dass Kunst süchtig macht nach dem intensiven Moment.

Immer schon hängt es da, in der Küche, ganz oben über der Tür. Anwesend, obwohl niemand es mehr wirklich sieht. Nur meine Blicke zieht es immer öfter dort hinauf: „Jetzt Jetzt Jetzt Jetzt Jetzt“ steht dort in roter Schrift auf schwarzem Grund, aneinandergereiht zu einer scheinbar endlosen Monitoring-Kurve, wie man sie aus Operationssälen kennt, ausschlagend nach oben oder unten, wie die Buchstaben eben fallen und steigen – eine Herzfrequenz der Gegenwart.

Vor fast 20 Jahren hat mich diese Zeichnung schon derart fasziniert, dass ich den Künstler bat, mir eine aus der Serie zu überlassen. Es war eines meiner ersten Interviews für die „Presse“. Nichts Großes, nichts Lautes, nur eine winzige Ausstellung eines relativ unbekannten Künstlers im Kunstraum Splitter Art der Verlegerin Batya Horn, verborgen in der Salvatorgasse hinter Maria am Gestade, so ein schöner Weg dorthin.
Irgendwo aus Doderers „Strudelhofstiege“, die ich bei meinem ersten Studentenjob im Shop des alten Mumok im Palais Liechtenstein las (ich hatte viel Zeit dort), stammt diese kleine verstörende Beobachtung: Zufällige Begegnungen kündigen sich an. Bevor jemand tatsächlich um die Ecke biegt, kann es passieren, dass man ihn vorher schon in anderen erkannt, erahnt zu haben glaubt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.