Mein Freitag

Reg dich nicht auf über die Kartons in der Tonne

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Wie und was wir wegwerfen, erzählt viel über uns.

Die sportliche Großtat eines Familienmitglieds in der Natur wird mit dem Handy gefilmt. Erst beim Anschauen des kurzen Videos fällt später auf, wie laut die Vögel zwitschern, das hat man zuvor gar nicht wahrgenommen. Offenbar werden typische, vertraute Geräusche einfach ausgeblendet. So fällt einem auch der Lärm der Autos in der Stadt kaum auf, ebenso wenig der kreisende Hubschrauber (außer er ist besonders hartnäckig) und der Baustellenlärm.

Als plötzlich eine Motorsäge zu hören ist, wird man allerdings stutzig. Das passt nicht in einen dicht verbauten Stadtbezirk, das verbindet man mit Holzfällen, auf jeden Fall mit Landleben. In Wien werden Bäume nicht gefällt, sondern liebevoll umgepflanzt. Sofort fällt einem der seltsame Mensch mit den schwarzen Müllsäcken ein, der gleich den Blick abgewandt hat. Vielleicht wurden in letzter Zeit zu viele Krimis geschaut. Zu viel von dem einen, zu wenig von dem anderen.

An Verbrechen (die man begehen will) denkt unweigerlich, wer Koloniakübel nachbarschaftlich teilen muss. Viele können Papier nicht von Glas und Restmüll unterscheiden. Es ist auch interessant, was alles weggeworfen wird. Nein, ich stierle nicht, ich bin nur diejenige, die fremde Kartons, die als Ganzes in die Tonne gestellt werden, auseinanderreißt und klein faltet. Zu viele Pakete, zu wenig Platz, zu wenig Disziplin. Nur die Tauben hören mein Fluchen und gurren zustimmend. Ihr seid schon zu lang in meiner Gasse.

Mein Opa hat übrigens vor langer Zeit Tauben gezüchtet, im nördlichen Waldviertel, und eines Sonntags kamen ein paar von ihnen auf den Tisch, zum Essen, was wir Kinder entsetzt verweigerten. Er sprach dann von falscher Sentimentalität. Er war in Kriegsgefangenschaft gewesen, aber darüber sprachen wir nie.

Reg dich nicht immer so auf, hat er oft gesagt, und dabei hat er sich selbst fürchterlich aufregen können.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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