Regierungschef Mark Rutte steuert auf eine vierte Amtszeit zu. In der Heimat hat sich der joviale Politiker als Kraft der Kontinuität und Stabilität etabliert, in der EU als fixe Größe.
Von den spärlich gesäten Wahlplakaten lächelte Mark Rutte, geschäftsmäßig ein Aktenpaket unter dem Arm, als hätte er alles im Griff, wäre gerade auf dem Weg ins Büro und bereit, die Agenden als Premier vier Jahre weiterzuführen. Darunter prangte die Parole: „Gemeinsam sind wir stärker.“ Der Subtext lautet: keine Experimente in Krisenzeiten.
Am Wahlabend hatte der Regierungschef dann allen Grund zum Feiern, weil seine Landsleute diese Ansicht teilten. Nach ersten Exit Polls goutierten die Niederländer die Botschaft. Sie bestätigten seine Viererkoaltion mit komfortabler Mehrheit und stärkten die Position Ruttes und die seiner rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) – aber auch die der linksliberalen D '66, des heimlichen Wahlsiegers.
Der niederländische Premier gibt den pragmatischen, soliden Krisenmanager, der von überall Anleihen nimmt – von den liberalen Traditionen der Handelsnation, den sozialdemokratischen Prinzipien des Wohlfahrtsstaats. Und zuweilen streut er einen populistischen Spruch ein. Damit bedient er geschickt alle Schichten.>> die ersten Ergebnisse im Detail
Mark Rutte gewinnt die Parlamentswahlen zum vierten Mal. Die Coronakrise trieb die Menschen an die Wahlurnen: 75 Prozent der Stimmberechtigten nahmen an der Parlamentswahl teil, berichtet „Presse“-Korrespondent Helmut Hetzel aus Den Haag.
Kritik perlt ab
Rutte kommt nicht wie ein typischer Politiker daher, sondern auf Augenhöhe – wie es dem jovialen Naturell des Hobbypianisten entspricht, der sich, wie zuletzt in einem Wahlaufruf, gern so vorstellt: „Hi, ich bin Mark.“ Die Niederländer kennen Mark Rutte als „Normalo“, der in Den Haag salopp mit dem Rad zum Regierungssitz „Torentje“ fährt, im Parlament schon einmal den verschütteten Kaffee selbst aufwischt, an seinem alten Handy und Privatauto festhält und sich den Donnerstagvormittag als Gastlehrer für eine Stunde Sachkunde an einer Hauptschule in der Hauptstadt freihält. Das „NRC Handelsblad“ apostrophierte ihn einmal als den „am wenigsten materialistischen Politiker seit Mahatma Gandhi“.
Als seine Mutter im Vorjahr im Alter von 96 Jahren in einem Pflegeheim starb, nahm sich Rutte keine Ausnahme von den Coronaregeln heraus, um sich von ihr zu verabschieden. In der Coronapolitik hatte der Historiker und frühere Unilever-Personalmanager indes Fehler begangen: Anfangs vertraute er zunächst halbherzig auf eine Herdenimmunität, mit der Impfung begannen die Niederlande so spät wie kaum ein anderes Land in Europa. Wirtschaftlich kam die westeuropäische Handelsnation bisher aber glimpflich davon.