Geschlechtergerechtigkeit

Rechtschreibrat warnt vor Unterstrich und Gender-Sternchen

Symbolbild zum Gender-Sternchen
Symbolbild zum Gender-Sternchen (c) imago images / Steinach (Sascha Steinach via www.imago-images.de)
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Zeichen wie Asterisk und Gender-Gap beeinträchtigen die Verständlichkeit und Lernbarkeit. Deshalb empfiehlt der Rat für deutsche Rechtschreibung derzeit keine Sonderzeichen im Wortinneren.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung bleibt nicht nur bei seiner bisherigen Haltung, keine bestimmte Form der geschlechtergerechten Schreibung zu empfehlen. Er warnt vielmehr sogar vor mancher Ausprägung des Genderns. Nach einer teils virtuell abgehaltenen Sitzung am Freitag in Mannheim betonte der Rat, dass geschlechtergerechte Schreibung nicht das Erlernen der geschriebenen Sprache erschweren dürfe.

Die Nutzung von Gender-Stern (Asterisk), Gender-Gap (Unterstrich), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren beeinträchtige aber die Verständlichkeit, Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten. Eine Aufnahme ins Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung könne daher derzeit nicht empfohlen werden.

Geringe Schreibkompetenz bei vielen Erwachsenen

Wie der Rechtschreibrat ferner betont, ist die geschriebene Sprache nicht nur von Schülerinnen und Schülern zu lernen, die noch schriftsprachliche Kompetenzen erwerben und deren Leistungen in international vergleichenden Studien immer wieder für Diskussionen sorgen. Vielmehr müsse auch auf Erwachsene mit geringer Literalität Rücksicht genommen werden, die einen Anteil von mehr als zwölf Prozent ausmachten: Sie seien nicht in der Lage, auch nur einfache Texte zu lesen und zu schreiben. Auch Menschen mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache sollte der Sprach- und Schrifterwerb nicht erschwert werden.

Diese Kriterien werden Vorgaben für die Schreibung, wie sie in den letzten Jahren von vielen Kommunen und Hochschulen vorgegeben worden sind, nicht gerecht. „Das gilt vor allem für die Nutzung von Asterisk, Unterstrich, Doppelpunkt und anderen verkürzten Zeichen, die innerhalb von Wörtern eine ,geschlechtergerechte' Bedeutung zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten signalisieren sollen“, führt der Rat aus. Die verwendeten Zeichen hätten zudem in der geschriebenen Sprache auch andere Bedeutungen, etwa als Satzzeichen, typografische Zeichen oder Informatik- und kommunikationstechnische Zeichen.

Freiheit der Wissenschaft und Lehre

Daneben bringt der Rechtschreibrat die Freiheit der Wissenschaft und Lehre ins Spiel. Er bezweifelt, dass die gerade im Hochschulbereich verbreitete Forderung einer „gegenderten Schreibung“ in systematischer Abweichung vom Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung damit vereinbar ist. „Hochschulen und Lehrende haben die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen.“ Abzüge bei der Bewertung schriftlicher Leistungen, die nicht gegendert sind, könnten damit in Widerspruch stehen.

Der Rat bekennt sich erneut zum Ziel, allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache zu begegnen und sie sensibel anzusprechen. Dies sei allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen in der Rechtschreibung gelöst werden könne. Er hält an einen 2018 in Passau beschlossenen Kriterien geschlechtersensibler Schreibung neben der erwähnten Lernbarkeit fest.

Kriterien geschlechtersensibler Schreibung

Geschlechtergerechte Texte sollen demnach

  • sachlich korrekt sein,
  • verständlich und lesbar sein,
  • vorlesbar sein,
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten,
  • übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen (wie Schweiz, Südtirol, Ostbelgien),
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen. 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Dazu dienen vor allem die ständige Beobachtung de Schreibentwicklung und die Klärung von Zweifelsfällen der Rechtschreibung. Der Rat wird getragen von Deutschland, Österreich, der Schweiz, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Fürstentum Liechtenstein.  

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2021)

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