Geschichte

1945: Keine Freude über die Rückkehrer

Bruno Kreisky und Fritz Molden 1945
Bruno Kreisky und Fritz Molden 1945 Imagno / picturedesk.co
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Den heimkehrwilligen Emigranten wurde es schwer gemacht.

Wenn sich der Journalist Herbert Lackner eines Themas annimmt, dann geschieht dies gründlich. Das Thema: Die Vertreibung der intellektuellen Glanzlichter einer verloschenen Epoche, der prägenden Geister Österreichs vor 1938. Sein vorliegendes Buch beschließt eine Trilogie, die als Nachhilfeunterricht für eine ganze Generation heutiger Politiker höchst geeignet erscheint. Es handelt von der bitteren Erkenntnis der Heimkehrer aus dem Exil, dass hier niemand auf sie gewartet hat, schon gar nicht die Politik, die sich nach 1945 erstaunlich rasch aufgerappelt hatte.

Nicht allen war es in der Emigration so gut gegangen wie jenem Freundeskreis, den Franz Werfel und Gattin Alma in Beverly Hills um sich scharten: Erich Wolfgang Korngold, Igor Strawinsky, Arnold Schönberg, Max Reinhardt, Bruno Walter, Lion Feuchtwanger, Erich Maria Remarque oder Werfels engsten Freund, Friedrich Torberg. Auch Thomas Mann erfreute sich im Kriegsjahr 1942 der üppigen Gastmähler von Frau Alma Mahler-Werfel. Übrigens eine glühende Antisemitin bis zum Tod.

Aber Heimweh haben sie alle, die in den USA Erfolglosen wie die Gefeierten. Alfred Polgar zählt zur ersten Kategorie, Karl Farkas gehört zu den Triumphatoren. Trotzdem muss er heim nach Wien, der behinderte Sohn wäre von den US-Einwanderungsbehörden nicht akzeptiert worden. Auch Hermann Leopoldi schmeckt der Jubel bei seinen Auftritten schal. „A little Cafe down the Street konnte ihm die Wiener Beisln nicht ersetzen“, schreibt Lackner.

Man ließ in Wien Kreisky zappeln

Doch in Wien wartet kaum jemand auf die einst Vertriebenen. Schon gar nicht auf die Juden. Karl Renner verleiht der inoffiziellen Volksmeinung Ausdruck: „Ich glaube nicht, dass Österreich in seiner jetzigen Stimmung Juden noch einmal erlauben würde, Familienmonopole aufzubauen (. . .), während unsere eigenen Leute Arbeit brauchen!“

Dass Farkas später doch noch zu ungeahnter Popularität gelangen sollte, konnte damals niemand ahnen. Andere warteten viel länger. Der junge Journalist und promovierte Jurist Bruno Kreisky saß in Schweden fest, und die Genossen in Wien ließen ihn zappeln. Wie vehement die Herren Schärf und Helmer gegen eine Rückkehr des späteren Bundeskanzlers agierten, ist umstritten und bis dato schlecht belegt. Kreisky selbst berichtet in seinen Memoiren über einen Spaziergang durch den Volksgarten in den Fünfzigerjahren: „Da geht der Kreisky, der Jud“, murmelte ein Passant hinter ihm.

Aus London kommt Oscar Pollak zurück, dann trudeln auch die Führungsfiguren der Zwischenkriegszeit ein: Julius Deutsch, Karl Hans Sailer, Otto Leichter. Sie werden allesamt von der bereits etablierten Parteispitze abgespeist. Nur Pollak gelingt der Sprung in die Führungselite als Chefredakteur der neuen „Arbeiter-Zeitung“. Er kämpft für die Rückholung emigrierter Parteigenossen, bei Wilhelm Rosenzweig gelingt es.

Der langjährige und geeichte Sozialist Lackner scheut in seiner Erzählung auch nicht vor den skurrilen Verrenkungen zurück, die der Bund Sozialistischer Akademiker nach 1945 unternahm, um reumütige Nazis zu rekrutieren. 1948 waren in der Steiermark 70 Prozent der BSA-Mitglieder Nazis.

Eine derart spannende und flotte Unterrichtsstunde in Zeitgeschichte verlangt nach Fortsetzung. Man darf hoffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2021)

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