„Green Deal“ für Österreichs Äcker: Wie viel Chemie kommt auf den Teller?

Herbstarbeiten in der Landwirtschaft
Herbstarbeiten in der Landwirtschaft(c) dpa (A3464 Rainer Jensen)
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Kritik am österreichischen Zugang zu „Green Deal“-Finanzierungen in der Landwirtschaft. Es geht um die ökologische Ausrichtung – und um 2,2 Milliarden Euro, jährlich.

Wie viel Chemie darf auf den Teller? Das ist eine der Kernfragen, die Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) am Dienstag in Wien stellen, aber nicht die einzige. Sie kritisieren den vor kurzem veröffentlichten Entwurf eines Landwirtschaftsprogramms – die Basis für die Umsetzung des „gemeinsamen Agrarprogramms“ (GAP) in Österreich in den kommenden Jahren. Das GAP soll bis 2027 laufen. In Österreich geht es um 2,2 Milliarden Euro jährlich. Die EU erwartet, dass von der Landwirtschaft wesentliche Beiträge geliefert werden, um die Ziele des Europäischen „Green Deals“ zu erreichen. Das Erreichen eben dieser Ziele bezweifeln die NGOs.

Worum geht es im Detail? Der „Green Deal“ zielt in der Landwirtschaft darauf ab, dass der Einsatz von Pestiziden halbiert wird. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass der Verlust an Nährstoffen im Boden ebenfalls halbiert wird, der Einsatz von Düngemitteln soll um ein Fünftel verringert werden. Schließlich soll der Verkauf von Antibiotika halbiert werden. Insgesamt sollen Maßnahmenbündel den Artenschwund zumindest bremsen und deutliche Schritt setzen, um Klimaneutralität in der Landwirtschaft zu erreichen. Außerdem sind im „Green Deal“ gerechte Einkommen in der Lebensmittelkette eine unverzichtbare Bedingung.

„Ziele werden nicht erreicht"

Bei diesen Zielen setzen nun die Nicht-Regierungs-Organisationen aus dem Umwelt- und Landwirtschaftsbereich an. Basis für die kritischen Betrachtungen sind die bisher bekannt gewordenen Punkte des heimischen Agrar-Umweltprogramms, des „Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (Öpul)“. „Öpul“ neu wird dabei verglichen mit dem bisherigen Programm , ausgehend von der Fragestellung, ob mit dem neuen Programm die im „Green Deal“ formulierten Ziele erreicht werden können.

Die Antwort: „Bei der Wiederherstellung der Biodiversität, der Umkehr des Bienensterbens, der Reduktion von Düngemittel- und Pestizideinsatz, dem Ausbau der Biolandwirtschaft, der Klimaneutralität des Ernährungssystems, den fairen Preisen für Landwirtinnen, fairen Arbeitsbedingungen für SaisonarbeiterInnen und bei der Eindämmung des Höfesterbens werden mit den bisher erkennbaren Maßnahmen die Ziel nicht erreicht“, fasst Helmut Burtscher-Schaden die Einschätzung zusammen.

„Die Zeit arbeitet gegen uns"

Er ist Umweltchemiker bei „Global 2000“. Die Kritik wird von der „Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen-Vereinigung (ÖBV), der „Biene Österreich“, „BirdLife Österreich“ und „Bio und Saat“ mitgetragen, ebenso von Arbeiterkammer und der Gewerkschaft pro-ge. Aus „Kapazitätsgründen“, wie es heißt, hätten nicht alle Details geprüft werden können, weshalb eine 81 Seiten umfassende Darstellung keine detaillierte Analyse, sondern ein Arbeitspapier sei, an dem weiter gearbeitet werde. Aber: An der Grundeinschätzung änder sich nichts mehr.

Für Franz Essl, den Vorsitzenden des Biodiversitäts-Rats, ist nicht erkennbar, dass eine durch die jetzt auf dem Tisch liegenden Maßnahmen des neuen Öpul eine Trendumkehr eingeleitet werden könne, die zur Verlangsamung des Artenschutzes führt. Essl: „Die Zeit arbeitet gegen uns.“

Burtscher-Schaden: „Würde man das Maßnahmenpaket in seiner jetzigen Form beschließen, würden weitere sieben Jahre lang Steuermiliarden in Maßnahmen gepumpt, von denen wir wissen, dass sie nicht wirksam genug sind.“

„Verdoppelung für die ersten 20 Hektar"

Gefordert wird vor allem die Umstellung der Förderung: „Es muss Anreize geben, die umweltschonende und nachhaltige Methoden begünstigen.“ Julianna Fehlinger, Sprecherin des ÖBV: „Jeden Tag schließen in Österreich durchschnittlich sieben Bauernhöfe ihre Tore für immer. Bisherige Förderprogramme haben dieser Entwicklung nichts entgegengesetzt. Und auch den aktuellen Vorschlägen fehlen wirkungsvolle Maßnahmen. Dabei wäre das sehr einfach. Mit einer Verdoppelung der Flächenförderung für die ersten 20 Hektar ließe sich speziell für kleinere Betrieben der wirtschaftliche Druck in Richtung Intensivierung und Vergrößerung deutlich reduzieren. Gegenfinanzieren könnte man diese Maßnahme beispielsweise durch die Kappung der Flächenförderung bei Großbetrieben.“ Die Organisationen wollen ihre Bestandsaufnahme auch als Appell verstehen, das Programm entsprechend zu ändern. Man sei gesprächsbereit und: „Wir haben noch bis Jahresende Zeit!“

Andere Geschichte in Österreich als in Brüssel

Heftige Kritik wird auch an Landwirtschaftsminister Elisabeth Köstinger geübt. Stefan Mandl (Biene Österreich) kritisiert, dass sich die Ministerin in Brüssel gegen die verpflichtende Halbierung des Einsatzes von Pestiziden ausgesprochen habe, ebenso auch dagegen, die Einhaltung von Mindestlöhnen an Fördergelder zu knüpfen. „Das war sehr oft so: In Österreich hören wir von den Politikern eine ganz andere Geschichte als die Erzählweise an den Verhandlungstischen in Brüssel.“

Ein Sprecher des Landwirtschaftsministerium versucht die Position bei den Pestiziden damit zu erklären, dass es ja auch um die Pflanzenschutzmittel gehe, die in der Bio-Landwirtschaft eingesetzt würden. Allerdings: In der EU-Strategie ist von „Pestiziden“ die Rede, also von chemischen Zubereitungen wie etwa Glyphosat. Ein anderes Mal hat es diesbezüglich aus dem Ministerium geheißen, dass „quantitative Ziele unüblich“ seien.

„Programm muss angenommen werden"

Johannes Fankhauser, Chef der Sektion „Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Landwirtschaftsministerium: „Die Kritik in dieser Form ist für uns nicht nachvollziehbar. Aber wir schauen uns das im Detail an.“ Er weist daraufhin, dass vor wenigen Wochen ein erster Vorschlag vorgelegt worden sei, der „jetzt kommentiert werden kann. Diesen Partizipationsprozess haben wir sehr breit aufgestellt, wir wollen mit allen Stakeholdern reden.“ Anforderungen an ein derartiges Programm sei allerdings auch, dass „das Programm auch angenommen wird.“ Bezüglich einer erhöhten Hektar-Prämie für Kleinbetriebe meint er: „Ob konkret dieser Vorsachlag umsetzbar ist, muss noch geprüft werden. Aber wir wollen mit allen Fördermaßnahmen vor allem Klein- und Mittelbetriebe unterstützen."

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