Steuersystem

Keine Steuern in Europa für Amazon

FILE PHOTO: Amazon boxes are seen stacked for delivery in the Manhattan borough of New York City
FILE PHOTO: Amazon boxes are seen stacked for delivery in the Manhattan borough of New York CityREUTERS
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Der Onlinehändler konnte sein Geschäft in Europa im Vorjahr um fast 40 Prozent steigern. Unternehmenssteuern fielen aber dennoch keine an.

Wien. Jede Krise hat auch ihre Gewinner. Und einer der großen Gewinner der Coronapandemie ist der US-Online-Händler Amazon. Da in vielen Ländern die Geschäfte aufgrund von Lockdowns wochenlang geschlossen waren, wanderte ab dem Vorjahr das Einkaufsvolumen verstärkt ins Internet. Und der Platzhirsch aus Seattle konnte sich einen großen Teil davon holen.

Was die Aktionäre des Konzerns freut, treibt vielen europäischen Finanzministern Sorgenfalten ins Gesicht. Denn obwohl die Europa-Umsätze von Amazon in Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland – und daran angehängt Österreich – erzielt werden, erfolgt die Verbuchung ebendieser in der Amazon-Europazentrale in Luxemburg. Die Gewinnsteuern würden daher ebenfalls im Großherzogtum anfallen, so die Kritik. Wie Amazon-Unterlagen, die vom britischen „Guardian“ veröffentlicht wurden, jedoch zeigen, wurde von dem Online-Händler 2020 trotz Rekordzuwachs auch in Luxemburg keine Steuer entrichtet. Warum zahlt Amazon keine Unternehmenssteuer in Europa? Und wie reagiert die Politik? „Die Presse“ gibt Antworten.

Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf das weltweite Geschäft von Amazon?

Amazon ist bereits seit Jahren auf einem stetigen Wachstumskurs. 2020 erhielt der Konzern durch die Pandemie aber einen neuerlichen Anschub (siehe Grafik). Global verdreifachte sich der Umsatz in den vergangenen fünf Jahren fast auf zuletzt 386,06 Milliarden US-Dollar. Das ist beinahe das Bruttoinlandsprodukt Österreichs. Noch deutlicher war der Zuwachs beim Gewinn. Dieser verzehnfachte sich seit 2016 und verdoppelte sich in den vergangenen zwei Jahren. Wer sein Geld in Amazon investierte, konnte an dieser Entwicklung teilhaben. In den letzten fünf Jahren versiebenfachte sich der Börsenwert. Derzeit ist der Konzern 1,7 Billionen US-Dollar wert.

Warum zahlt der Online-Händler in Europa dann trotzdem keine Unternehmenssteuer?

Amazon zahlte laut dem Jahresabschluss der luxemburgischen Europa-Gesellschaft deshalb keine Unternehmenssteuer, weil kein Gewinn erzielt wurde. Zwar konnte der Umsatz auch in Europa von 32,19 auf 43,84 Milliarden Euro deutlich gesteigert werden, unter dem Strich weist Amazon allerdings einen Verlust von 1,19 Milliarden Euro aus. Dieser kommt auch deshalb zustande, weil in der Bilanz neben dem Wareneinsatz oder den Kosten des Personals 12,42 Milliarden an „anderen externen Kosten“ anfallen. Eine Anfrage der „Presse“, was alles darunter fällt, wurde bis Redaktionsschluss der Printausgabe am Dienstagabend nicht beantwortet. Laut Bilanz können dies auch Kosten für Services von anderen Amazon-Tochtergesellschaften sein.

Kritiker bemängeln, dass bei diesem Punkt mitunter auch interne Lizenzgebühren für die Nutzung der Markenrechte hineinfallen. Diese können verwendet werden, um Gewinne aus Regionen mit hohen Steuersätzen in Jurisdiktionen zu verschieben, wo eine wesentlich geringere Besteuerung anfällt.

Wo Amazon seine Steuern zahlt, weist der Konzern nur sehr ungenau aus. So wurden laut der globalen Bilanz 2020 Steuern im Ausmaß von 2,86 Milliarden Dollar bezahlt. Mit 2,12 Milliarden fiel der überwiegende Teil davon jedoch im Amazon-Heimatland USA an. Für Deutschland gab das Unternehmen im Vorjahr eine direkte „Steuerleistung“ von 261 Millionen Euro an. Der Großteil davon seien aber Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, hieß es.

Betrifft dieses Thema nur Amazon oder auch andere Unternehmen?

Amazon ist nur einer von vielen Konzernen, der in den vergangenen Jahren aufgrund seiner Steuervermeidungspraktiken ins Schussfeld der Kritik geraten ist. Auch andere Digital-Konzerne wie Apple und Google, aber auch die Kaffeehauskette Starbucks sorgen immer wieder für Aufsehen, wenn etwa bekannt wird, dass umsatzstarke Tochtergesellschaften aufgrund konzerninterner Verrechnungen keine Gewinne schreiben. Besonders pikant war die Situation bei Apple. So forderte die EU-Kommission 2016 eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro in Irland. Sowohl der Konzern als auch die irische Regierung weigern sich jedoch und gehen seither juristisch dagegen vor.

Welche Lösungsideen hat die Politik für das Thema?

Seit Jahren wird über eine globale Mindeststeuer diskutiert. Bisher standen die USA jedoch auf der Bremse, weil sie hier vor allem ihre Digitalkonzerne im Fokus sahen. Seit dem Antritt von US-Präsident Joe Biden hat sich die Stimmung aber gedreht. Öffentliche Unterstützung erhielt er dafür übrigens auch von Jeff Bezos – dem Gründer von Amazon.

Update: Am Mittwochvormittag kam schließlich ein schriftliches Statement von Amazon. Darin heißt es:

„Amazon zahlt alle anwendbaren Steuern in allen Ländern, in denen wir agieren. Die Körperschaftsteuer basiert auf Gewinnen und nicht auf Umsätzen, und unsere Gewinne sind angesichts unserer großen Investitionen und der Tatsache, dass der Einzelhandel ein hart umkämpftes Geschäft mit niedrigen Margen ist, gering ausgefallen. Wir haben seit 2010 weit über 78 Milliarden Euro in Europa investiert, und ein Großteil dieser Investitionen besteht in einer Infrastruktur, die viele tausend neue Arbeitsplätze schafft, erhebliche lokale Steuereinnahmen generiert und kleine europäische Unternehmen mit Programmen wie Versand durch Amazon unterstützt. Wir haben aktuell 60 Logistikzentren, mehr als 100 Unternehmensstandorte und Entwicklungszentren sowie mehr als 135.000 Vollzeitbeschäftigte in ganz Europa. Und es gibt mehr als 100.000 Verkaufspartner mit Sitz in der EU, die unsere Dienste nutzen, um neue Kunden zu erreichen und ihr Geschäft auszubauen. Wir betreiben dieses paneuropäische Geschäft von unserem Hauptsitz in Luxemburg aus, an dem wir mehr als 3.000 Mitarbeiter einschließlich unseres Management-Teams haben und wachsen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2021)

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