Getrieben von Verfassungsrichtern und dem Höhenflug der Grünen überbietet sich die Koalition in Deutschland in der Verkündung neuer Klimaschutzziele. Nur eine Strategie fehlt.
In Deutschland vollzieht sich ein politischer Klimawandel – und das in atemberaubendem Tempo. Zuerst erwärmte sich die CSU-Zentrale in München für eine ehrgeizige Klimapolitik, dann auch das Berliner Konrad-Adenauer-Haus, der Sitz der CDU. Oder anders: Deutschland ergrünte, ohne dass die Grünen schon an der Macht wären. Zwei Entwicklungen beschleunigten die Veränderungen in der politischen Atmosphäre.
Die erste führt nach Karlsruhe, der Sitz des Verfassungsgerichts. Die Juristen in ihren roten Roben haben in der Vorwoche das Klimaschutzgesetz der Großen Koalition überraschend als teilweise verfassungswidrig gekippt. Die Richter rügten die Regierenden, weil sie CO2-Einsparungslasten, die sich aus den Pariser Klimazielen ableiten, in die Zukunft verschieben und damit die Freiheitsrechte künftiger Generationen einschränken. Explizit verlangen die Verfassungshüter aber nur, dass die Koalition auch für die Zeit nach 2030 jährliche Minderungsziele der Treibhausgasemissionen benennt, also konkreter wird. Das Gesetz muss bis Ende 2022 repariert werden.