Debatte

"Ibiza-Skandal wurde zum ÖVP-Skandal": Leserstimmen zur aktuellen Innenpolitik

Peter Kufner
  • Drucken

Zahlreiche Leserbriefe hat „Die Presse“ zu den Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz erhalten. Eine Auswahl.

ÖVP sturmreif schießen

Napoleon hätte seine Freude! Ein Lehrbeispiel, wie man eine (ÖVP-)Festung sturmreif schießen kann. Aschbacher wurde über ein Plagiat gestolpert (Anlass der Prüfung ihrer Arbeit war angeblich ein sprachlich holpriges Interview). Blümel bekommt eine Ministeranklage. Tanner wird wegen einer ÖVP-Jause für Soldaten angezeigt. Raab wird von Heinisch-Hosek wegen einer unzufriedenstellenden Frauenpolitik heruntergemacht. Kurz wird wegen einer angeblichen Falschaussage im U-Ausschuss voraussichtlich angeklagt. Ein Schelm, wer hier einen orchestrierten Angriff vermutet!
Mag. Harald Müller, Bisamberg

Hassprediger

Für die Frontfrau der Neos stellte sich im ORF-„Morgenjournal“ vom 17. Mai die Frage: „Ist ein krimineller Bundeskanzler den Menschen in Österreich zumutbar?“ (O-Ton Beate Meinl-Reisinger). Ich meine, manche Menschen in Österreich stellen sich inzwischen die Frage, ob sie sich durch parlamentarische Hassprediger noch vertreten fühlen können.
RegR Ing. Josef Lunzer, 2130 Mistelbach

Die Anzeige wird ein Rohrkrepierer

Krainer und Krisper betreiben parteipolitischen Missbrauch des parlamentarischen Ausschusses, während eines laufenden Verfahrens. Wer auch nur das geringste Sprachverständnis hat, kommt nicht umhin, den Vorwurf einer Falschaussage als absurd zu erkennen, frei von parteipolitischen Präferenzen oder juristischen Argumenten. Nicht dem Kanzler und dem Finanzminister fehlt es an Respekt vor dem Parlament, sondern einigen parteitaktisch agierenden Abgeordneten. Zumindest das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten wäre angemessen.
Möglich ist so eine Anzeige nur, weil bei den Gerichten, der Polizei und auch im Ausschuss nicht wörtlich, sondern summarisch protokolliert wird (angesichts oft bescheidener Kenntnis von Sprache und Grammatik mancher Beteiligter ein Vorteil?). Die Anzeige wird ein Rohrkrepierer.
RA Dr. Eric Agstner, 1010 Wien

Bessere Kandidaten für künftige Wahlen

Frau Walterskirchen hat den Nagel auf den Kopf getroffen („Die ,Volksvertreter‘ im Paralleluniversum“, 17. 5.): Anstatt Vertreter des Volkes zu sein, das Ohr beim Bürger zu haben, scheinen viele Parlamentarier tatsächlich in einer Parallelwelt zu leben. Die Zeit im Parlament wird für das Finden oder Konstruieren von Fehlern beim anderen, für gegenseitige Beschimpfungen und Anzeigen, für end- und ergebnislose U-Ausschüsse vergeudet, statt im dringend erforderlichen nationalen Schulterschluss die weitreichenden Folgen der Coronakrise – die uns Bürgerinnen und Bürger tatsächlich unmittelbar betreffen – aufzuarbeiten. Vielleicht sollten wir bei kommenden Wahlen bessere Kandidaten aussuchen . . .
Walter Ströbl, 2753 Markt Piesting

Weltsensation – drei Frauen an der Spitze

„Informiert“. Oder „involviert“. (Nur) darum geht's. Staatskrise. Als hätten wir nicht Tonnen an Pandemiegeröll aus dem Weg zu räumen. Tu Felix Austria.
Leute! Dass ein/jeder Kanzler den Bestmöglichen/Vertrauten zum Aufpasser aufs Familiensilber machen will – so what! Fast eine Pflichtübung. Oppositioneller Furor trachtet dennoch, den Kanzler ob seiner semantischen Aussage-Indifferenz aus dem Amt zu kegeln. Und ein blauer Machiavelli steht Sturmgewehr bei Fuß bereit für einen fliegenden Wechsel zu Rotgrünpink. Wäre die Weltsensation – drei Frauen an der Spitze: Rendi-Wagner + Maurer + Meinl-Reisinger. Na dann – alles Gute!
Karl Turecek, 4040 Linz

Anti-ÖVP-Wahlplattform

Der Ibiza-Ausschuss wurde m. E. von Anfang umfunktioniert zur Wahlplattform gegen die ÖVP. Zunächst der geplante Abschuss von Sobotka als Vorsitzendem und gleichzeitig zur Beschädigung als Nationalratspräsident durch Mutmaßungen von gesetzwidriger Annahme von Spenden, das Hinausekeln der Verfahrensrichterin durch obszöne Äußerungen und schließlich Anzeige wegen angeblicher Falschaussage durch den Bundeskanzler mit gleichzeitiger Aufforderung zum Rücktritt. Anscheinend gibt es für türkise Regierungsmitglieder keinen Persönlichkeitsschutz und keine Unschuldsvermutung.
Gerhard Gadermaier, 1020 Wien

Wo hat Kurz die Unwahrheit gesagt?

Am Beginn des Artikels („Schuldig oder unschuldig“, 14. 5.) wird festgestellt, die Chats legten nahe, dass Kurz die Unwahrheit gesagt hat. Ich kann das nicht nachvollziehen: Kurz hat im Ausschuss gesagt, dass er in die Bestellung Schmids „eingebunden im Sinne von informiert“ war. Und da er offensichtlich informiert war über den Bestellvorgang, nachvollziehbar vom zuständigen Minister und Eigentümervertreter Blümel, kann er ja Schmid mitteilen, „kriegst eh alles“. Und Schmid kann dann posten „alles auf Schiene, mit Sebastian abgestimmt“. Wo ist da die Unwahrheit? Informiert heißt ja nicht, dass er den Bestellungsvorgang wesentlich mitbestimmt hat, wie ihm von der WKSta (aufgrund der Anzeige) offensichtlich vorgeworfen wird.
Die Oppositionsparteien haben erkannt, dass sie gegen Kurz wenig Chancen haben, daher muss er, wo immer es geht, angepatzt werden, und sei es noch so an den Haaren herbeigezogen. Und die WKSta macht mit, weil sie sich von Kurz wegen aufklärungswürdiger Verfahren angegriffen fühlt. Man wird sich ja noch wehren dürfen!
Dr. Helmut Zehmann, 2100 Korneuburg

Selber schuld

In der österreichischen Politik wird seit Jahrzehnten gelogen und geschoben. Die Verteidigungslinie von Sebastian Kurz („semantische Spitzfindigkeiten“, „Wort wird im Mund umgedreht“, „doppelte Verneinung“) ist armselig. Jeder weiß, was Sache ist. Die aufgezeigten Verfehlungen haben realpolitisch keine große Bedeutung.
Das Beste für die Republik ist: Türkis-Grün macht (unter verstärkter Aufmerksamkeit und Kontrolle durch Öffentlichkeit, Opposition usw.) bis zur nächsten Wahl weiter. Falls Herr Kurz dann neuerlich gewählt wird, muss man ein für allemal festhalten: Die Österreicher sind selber schuld.
Christoph Reinhart, 1220 Wien

Der Ibiza-Skandal wurde zum ÖVP-Skandal

Ibiza-Skandal, war da nicht ein (staats-)erschütterndes Vorgehen des FPÖ-Vorsitzenden? Es führte zum Ausschluss der FPÖ aus der Regierung und zur Regierungsneubildung. Nun aber scheint der Verursacher des Ganzen vergessen zu sein, denn nun hat die FPÖ den Spieß umgedreht und wurde zum Ankläger der ÖVP. Nun wurde der Ibiza-Skandal zum ÖVP-Skandal! Dies gipfelt in dem Slogan „Kurz muss weg!“. Herr Kickl ist sich der psychologischen Wirkung dieser immer wieder proklamierten Aussage auf die breite Masse sicher bewusst, es ist Zweck und Kalkül. Und die übrige Opposition steht dem in nichts nach.
Renate Dillersberger, 6335 Thiersee

Dieser Schuss geht nach hinten los

Bei äußerer Betrachtung haben die Fälle Waldheim und Kurz nichts miteinander zu tun, bei näherem Hinschauen sehr wohl. Denn: Solange Waldheim im In- und Ausland hoch geachteter UN-Generalsekretär war, zählte er, auch seitens der SPÖ und speziell Kreiskys, zu den hervorstechendsten Persönlichkeiten Österreichs in der Welt. Kaum aber hatte er sich 1986 unter höchst günstigen Vorzeichen und mit besten Wahlchancen für das Amt des Bundespräsidenten beworben, begann eine beispiellose Kampagne gegen Waldheim.
Und jetzt Kurz: Dieser junge Pimpf (Schnösel) erlaubte sich, sogar zweimal (!) Wahlen nicht nur zu gewinnen, sondern dies mit einem bis dahin unvorstellbaren Vorsprung von rund 20 Prozent vor einer SPÖ, die sich bis dahin für unschlagbar gehalten hatte. Das konnte, durfte nicht sein. Nun gibt es eine beispiellose Kampagne der gesamten Opposition, unterstützt von Teilen des ORF, gegen Kurz. Dies auch mithilfe der Justiz, die es offenbar nicht verwinden kann, vom Kanzler kritisiert worden zu sein. Dies auf 56 (!) Seiten Anklage, wegen angeblicher Falschaussage. Kurz muss weg – so das Halali und einzige politische Argument gegen den Bundeskanzler.
Persönlich glaube ich, dass dieser Schuss nach hinten losgehen wird. Siehe Waldheim.
HR Prof. Dr. Franz Oswald, 1230 Wien

Straffung der Verfahren dringend erforderlich

Es ist an der Zeit, eine Befristung zur Erhärtung von Verdachtsmomenten durch ein Gericht bei mutgemaßten Straftatbeständen von Funktionsträgern der Republik zu schaffen. Es ist eine Zumutung, monatelang ohne belastbare Beweise als Beschuldigte geführt, im Ansehen beschädigt und im Aktionsradius beschränkt zu werden. Zudem sollte sich ein Verletzer der Rechtsordnung durch eine „freundschaftlich“ eingebrachte anonyme Anzeige nicht in die vorteilhafte Möglichkeit der Entschlagung, die dem Beschuldigten zusteht, retten können.
Eine Straffung der Verfahren und eine qualifiziertere Beweislage als Voraussetzung für die Verhängung des Beschuldigtenstatus scheinen zum Wohle des Staates dringend erforderlich. Auch wäre es angebracht sicherzustellen, dass der Beschuldigte vor allen anderen davon in Kenntnis gesetzt wird.
Mag. Johannes Culen, 2345 Brunn

Es ist nur mehr zum Schämen

Was kommt denn noch? Da lässt der als „Brückenbauer“ ausgezeichnete (welch ein Hohn) Sebastian Kurz in dieser aufgeheizten Stimmung am Bundeskanzleramt die Israel-Fahne hissen, seine Handlanger beauftragen eine Werbeagentur, „Sudeldossiers“ über Ausschussabgeordnete anderer Parteien anzulegen (aber er ist kein Anpatzer), weitere Attacken gegen die Justiz oder U-Ausschuss, am besten die Wahrheitspflicht abschaffen . . . Ja, wo sind wir denn? Das Magazin „Stern“ widmet uns viele Seiten und bezeichnet uns am Cover als Bananenrepublik. Es ist nur mehr zum Schämen!
Nikolaus Pichler, 1230 Wien

Erleben Journalismus der übelsten Sorte

Wir erleben derzeit Journalismus der übelsten Sorte. Durch die Bank wird der Bundeskanzler als schuldig dargestellt, gelogen zu haben, die Beschuldigungen gehen sogar viel weiter. Und die Opposition bastelt schon eifrig an einer neuen Minderheitsegierung. Was wir derzeit erleben, ist eine Hetzkampagne ohnegleichen, niveaulos, ungerecht und schädlich für das Land.
Hat sich schon einer von den Medienleuten gefragt, ob es sich da nicht um eine eklatante Fehlentwicklung handelt: Jeder zeigt jeden an, es wird kriminalisiert, was gar nicht strafbar ist, Menschen werden vor den Kadi gezerrt und stundenlang befragt, die gar nichts angestellt haben, und auf jeden Fall schuldig gesprochen.
Das ist jetzt die große Stunde der Vernaderer und der Opposition, die verantwortungslos eine Regierung kippen will, für die sie nichts Besseres anzubieten hat.
Irmgard Strnad, 3001 Mauerbach

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.