Altmaier: Flüchtlinge haben Deutschland "nicht verändert"

Wirtschaftsminister Peter Altmaier
Wirtschaftsminister Peter AltmaierAPA/AFP/POOL/BERND VON JUTRCZENK
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Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht keine negativen Folgen durch die Flüchtlingsströme der vergangenen Jahre. Er bedauert, nicht früher auf Klimaschutz gesetzt zu haben.

2015 habe Berlin mit der Aufnahme von Geflüchteten aus geostrategischen Gründen gehandelt. "Jordanien, Libanon und die Türkei konnten das nicht meistern, auch später nicht die Balkanstaaten und Österreich, die alle kleine Staaten sind." Doch habe sich Deutschland dadurch "nicht verändert", konstatierte Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Dienstag in Berlin.

"Die allermeisten Menschen sind integriert und haben Deutsch gelernt", hielt der CDU-Minister bei einem Termin mit der Auslandspresse in der deutschen Hauptstadt fest. Innere Konflikte und Zerreißproben, die vielfach befürchtet worden waren, seien danach nicht eingetreten. Lediglich die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland" habe sich gebildet. "Sie ist in den Umfragen stabil, und wir müssen davon ausgehen, dass wir noch einige Zeit mit ihr leben müssen, aber der Siegeszug hat sich nicht fortgesetzt", sagte Altmaier.

Die deutsche Bundestagswahl im Herbst bezeichnete er als Zäsur, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel (ebenfalls CDU) nicht neuerlich kandidiere, doch sei er optimistisch, dass sich an Grundausrichtung der Politik des Landes nichts ändern werde: "Wenn ich mir die Spitzenkandidaten von CDU/CSU, Grünen und SPD ansehe, sind das drei Kandidaten, die für den Kurs der Bundesrepublik Deutschland stehen, wie er in letzten Jahrzehnten gefahren worden ist, weltoffen, orientiert an sozialer Marktwirtschaft und natürlich Klimaschutz, der dramatisch an Bedeutung gewonnen hat".

„Wollen 2045 klimaneutral sein"

Bis zur Sommerpause wolle die aktuelle Regierung aus Unionsparteien (CDU/CDU) und Sozialdemokraten (SPD) die vom Verfassungsgericht aufgetragene Änderung des Klimaschutzgesetzes beschließen. "Wir wollen 2045 klimaneutral sein", sagte der deutsche Politiker. "Wir haben unseren Ehrgeiz gesteigert." Selbstkritisch fügte er hinzu: "Die jüngere Generation ist der Meinung, dass wir zu wenig gemacht haben." Er selbst hätte den Mut haben müssen "viel früher und energischer Klimaschutz und Wirtschaft auf die Tagesordnung zu setzen", sagte er. Doch es sei schwierig gewesen, weil es die Empfindlichkeit in der Öffentlichkeit dafür nicht gegeben habe. "Man hätte manches zwei, drei Jahre früher erreichen können, aber ich habe es mich nicht getraut", so Altmaier.

Grüner Wasserstoff werde künftig in großen Mengen benötigt. "Deshalb arbeiten wir an einer globalen Wasserstoff-Infrastruktur." Es sei möglich "grünen Stahl" aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. In den Prozess wolle er alle Stahlerzeuger in Deutschland, "auch Arcelormittal", einbeziehen. Allerdings: "Wenn wir die Stahlerzeugung in Europa dekarbonisieren, würde der Stahl teurer sein als jener von Brasilien, Russland, China und Indien. Das wäre aber das Ende der europäischen Stahlerzeugung." Deshalb trete er für ein Klimaabkommen ein, denn Klimaschutz dürfe nicht zu Verringerung von Wettbewerbsfähigkeit führen. Grüner Wasserstoff werde möglicherweise in Australien, Chile, Saudi-Arabien, Katar und Golfstaaten produziert werden.

Zu Wirtschaftsthemen hielt Altmaier unter anderem fest, dass er noch keine Erklärung für die derzeit hohe Inflationsrate habe. Die von der EU festgesetzten 2 Prozent Inflation seien lange nicht erreicht worden. "Dass es jetzt sehr schnell und plötzlich auf 2,4 Prozent gestiegen ist, hat womöglich damit zu tun, dass im Gefolge der Pandemie Produkte knapp geworden sind, etwa Holz", sagte der Minister.

Auch bestehe ein großes Defizit an Mikroprozessoren und Halbleitern, "wegen des Anstiegs an Online-Konferenzen und weil das Internet Fahrt aufnimmt". Als die Inflation unter einem Prozent lag, hätten sich viele beklagt, dass es keine Zinsen gebe. "Wenn die Zinsen wieder steigen sollten, würde die Inflation steigen. Das wäre aber ein Zustand, den wir vor dem Zinseinbruch in den 90ern hatten", sagte Altmaier.

Milliarden gegen Corona-Krise

Die Corona-Pandemie betreffend meinte Altmeier, anfangs habe Deutschland die Krise besser gemeistert "als viele Länder rundherum". Ab Oktober 2020 sei allerdings der Eindruck entstanden, "dass der Föderalismus, der in Krisenzeiten immer als sehr flexibel galt, plötzlich nicht imstande ist, angemessene Maßnahmen in der gebotenen Zeit festzulegen." Dennoch: "Wir waren am Ende sehr erfolgreich, aber es gab viele Klagen."

Es habe sich gezeigt, welche Probleme es bedeute, "wenn man nicht so digital ist, wie in Estland, Lettland". Es habe "so viele Anrufe und so wenige Sachbearbeiter" gegeben. Insgesamt habe Deutschland mehr als 300 Milliarden Euro ausgegeben, um die Krise zu bekämpfen. "Wir haben einen vorbildlichen Aufschwung erlebt", sagte der Ressortchef. "Die Wirtschaft wird Ende des Jahres ihre alte Stärke wieder erreicht haben, und das ist Grund zum Optimismus." Für heuer würde ein Wachstum von 3,4 bis 3,7 Prozent erwartet, für nächstes Jahr von 4 Prozent. "Dann würden wir wieder auf soliden Wachstumskurs zurückkehren."

Bei der Industrie habe es nie einen Lockdown gegeben, lediglich Kurzarbeit und unterbrochene Lieferketten. Sie sei intakt und gebe das Wachstumstempo vor, sagte Altmaier. Bei vielen Handwerkern boome das Geschäft. Zu den Sorgen von Einzelhändlern in den Innenstädten sagte er, man könne die Innenstädte nur retten, wenn sie am Onlinehandel teilhaben könnten: "Wir müssen die Theke ins Internet verlängern." Dennoch habe es 2020 weniger Insolvenzen als 2019 gegeben, auch bis April dieses Jahres weniger als im Vergleichszeitraum von 2020. Altmaier: "Mit einer großen Pleitewelle rechne ich nicht."

Zum Maskenskandal in seiner eigenen Partei meinte Altmaier: "Als überzeugter Marktwirtschaftler sage ich, wenn der Staat Geld ausgibt, gibt es Menschen, die sich daran bereichern wollen." Weshalb er solchen Ausgaben kritisch gegenüber stehe. Vorsichtiger sei man bei der Unterstützung von Gaststätten und Restaurants in der Krise vorgegangen. "Da gab es keine Missbrauchsfälle wie bei der Maskenproduktion." Die aktuellen Probleme der CDU würden sich laut Peter Altmaier aus zwei Quellen speisen: Der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation und Affären wie dem Maskendeal.

(APA)

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