Glosse

Der Gipfel der Guten

Boris Johnson reiste mit dem Privatjet an.
Boris Johnson reiste mit dem Privatjet an.APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI
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Privatjet und Steaks beim G7-Gipfel: Zur Rettung der Welt vor dem Klimawandel bleibt noch Einiges zu tun.

US-Präsident Joe Biden hätte es mit dem Ruderboot nicht zum G7-Gipfel nach Cornwall geschafft. Aber dass der britische Premierminister Boris Johnson ausgerechnet zu einem Treffen, das sich unter anderem die Rettung der Welt vor dem Klimawandel zum Ziel gesetzt hatte, mit dem Privatjet anreiste, sorgte für jede Menge Spott und Häme. Selbst die Regierung musste auf Anfrage einräumen, dass der Flug an den südwestlichen Zipfel des Landes fünfmal soviel Schadstoffe verursacht hatte als eine Zugsfahrt angerichtet hätte.

Während es nämlich „zwischen Cornwall und Tokio oder Washington keine Zugsverbindung gibt“, wie Labour-Umweltsprecher Luke Pollard anmerkte, verlässt pünktlich einmal in der Stunde ein Zug den Londoner Bahnhof Paddington in Richtung der Küstenstadt Penzance. Schon ab wohlfeilen 70 Pfund ist man an Bord (zweiter Klasse), und kann auf der fast fünf Stunden langen Fahrt eine der schönsten Strecken des einst für seine Eisenbahn berühmten Landes genießen. Unvergessen die Einfahrt in den Zielort Penzance über die vom Meer umspielte Küstenstrecke entlang Steinformationen aus der Jura. Der Flug dagegen dauert nur 35 Minuten, doch zu sehen gibt es erst beim Landeanflug auf Newquay wieder etwas. 

Die Episode um den 3500 Pfund teuren Flug hätte wohl nicht große Beachtung gefunden, hätte sich Johnson nicht nach der Ankunft mit nach oben gestrecktem Daumen beim Verlassen des Flugzeugs im Stil eines römischen Triumphators ablichten lassen und dieses Bild alsbald über Twitter mit der Menschheit geteilt. Nachdem die Reise so teuer war, musste die Regierung offenbar anderswo sparen: US-Präsident Biden erhielt von Johnson ein Foto des Antisklaverei-Aktivisten Frederick Douglass geschenkt, das nach einem Bericht der „Times“ gratis aus dem Internet ausgedruckt worden war.

Umso großzügiger zeigte sich Biden. Er schenkte Johnson ein handgemachtes Fahrrad im Wert von 6000 Dollar – und einen Helm auch noch dazu. Wenn im nächsten Jahr Deutschland die G7 führt, könnte Johnson bei entsprechendem Training ja mit dem Rad kommen (vorausgesetzt, dass es zwischen der EU und Großbritannien dann noch Schiffsverkehr gibt).

„Mein Sohn ..."

Das eher bescheidene britische Willkommensgeschenk hielt den als taktil gefürchteten US-Präsidenten nicht von Freudenbekundungen ab. Zwar musste man das traditionelle Händeschütteln durch Ellbogendrücken ersetzen, abends sah man die beiden Männer dann aber schon mit nachdenklichem Blick aufs Meer beisammenstehen und 78-jährige Biden legte dem 56-jährigen Johnson väterlich die Hand auf die Schulter: „Mein Sohn...“, schien er bedeutungsschwer zu sagen. 

Als einen Tag später die restlichen Gipfelteilnehmer eintrafen, war an begeistertem Begrüßungsdrücken, Willkommensstupsen und Halloknuffen kein Ende mehr. Nur vor Ihrer Majestät der Queen geziemt sich so etwas nicht. Da braucht man kein „social distacing“, hier ist Distanz eiserne Pflicht. Königin Elizabeth lud gemeinsam mit Thronfolger Prinz Charles zum Galadiner, gereicht wurde Steinbutt aus heimischen Gewässern mit lokalen Kartoffeln und Pesto aus wildem Knoblauch. Nicht überliefert ist, ob Johnson und die ebenfalls anwesende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuvor das Menü mit der Brexit-Fischfangvereinbarung abgeglichen hatten.

Beim gemütlichen Grillen Samstagabend ist es dann ohne die königliche Familie wohl deutlich entspannter zugegangen. Neben englischem Sekt und deutschem Weißwein gab es auch Bier aus Cornwall und Meisterkoch Simon Stallard zauberte marinierte Steaks vom Hochlandrind auf den glühenden Rost. Umweltschützer weisen darauf hin, dass ein Kilo Steak einen Schadstoffausstoß von 36 Kilogramm Kohlendioxid erzeugt. Zur Rettung der Welt bleibt also noch Einiges zu tun.

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