Nach dem Einsturz eines Hochhauses in Florida wurde ein Desaster befürchtet. Am Freitag waren vier Tote zu beklagen, 159 Menschen galten als vermisst.
Wien/Miami. Rund um die Uhr, bei Regen und gleißender Sonne, wühlen sich Suchteams mit Spürhunden, Sonden und Spezialkameras durch den Trümmerberg in Strandnähe in der Collins Avenue in Surfside, um Überlebende zu bergen. 37 Menschen konnten sich selbst retten oder wurden aus dem Schutthaufen gezogen. Doch in Florida schwindet die Hoffnung. „Jede Minute zählt“, sagt die Chefin des Bezirks Miami-Dade.
Seit Donnerstag gegen 1.30 Uhr die zwölfstöckige Wohnanlage Champlain Tower South nördlich von Miami Beach eingestürzt ist und möglicherweise mehr als 100 Menschen begraben hat, bangen Angehörige um deren Leben. „Ich bete für ein Wunder“, sagt Luz Marina Peña, die ein Foto ihrer 77-jährigen Tante mit sich trägt, die seit 20 Jahren in der Anlange wohnte. Vier Tote und 159 Vermisste lautete die Zwischenbilanz am Freitagvormittag (Ortszeit), nachdem Gouverneur Ron DeSantis und die US-Katastrophenschutzbehörde den Notstand ausgerufen hatten.
„Es sieht aus wie nach einem Bombenanschlag“, berichtete ein Augenzeuge dem TV-Sender NBC. Dabei habe er anfangs nur an einen Sturm gedacht. Die Anlage, die zahlreiche Hurrikans überstanden hat, ist wie zweigeteilt: die Wohnungen zerschnitten, mit baumelnden Klimaanlagen.
80 von 130 Apartments in dem 1981 errichteten Gebäude waren bewohnt. Die Eigentumswohnungen mit einem Wert von je 600.000 Dollar werden oft nur zum Teil ganzjährig bewohnt, da sogenannte Snowbirds aus dem Norden der USA – vielfach aus New York – und aus Kanada im „Sunshine State“ Florida überwintern. Auch unter wohlhabenden Lateinamerikanern gilt es als chic, einen Zweitwohnsitz in Miami zu unterhalten.
Schwägerin des Präsidenten
Unter den Vermissten sind neben einer Reihe von Israelis denn auch Südamerikaner, darunter die Schwägerin des Präsidenten von Paraguay und ein argentinischer Schönheitschirurg samt Ehemann und sechsjähriger Adoptivtochter, die sich in den USA impfen lassen wollten. Eine Synagoge in Surfside meldete zehn Mitglieder als vermisst, weitere waren zu Begräbnissen nach Florida geflogen.
Die Ursachen für den Einsturz des Gebäudes sind vorläufig noch unklar. Eine routinemäßige Inspektion ergab kürzlich keine Mängel. Doch das Hochhaus könnte seit den 1990er-Jahren permanent gesunken sein, während gleichzeitig der Meerespegel des nahen Atlantiks steigt. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2021)