Literatur

Badekleidung ist hier üblich

Ein Migrantenheim im Roman „Guldenberg“ von Christoph Hein sorgt für Zwietracht.

Seit einiger Zeit ist es in dem kleinen Städtchen Bad Guldenberg ungemütlich geworden, ein Ziegelstein wurde durch das Wohnzimmerfenster des Bürgermeisters geworfen. Der zuständige Polizeiobermeister kann oder will nichts dagegen tun, seine Ressourcen sind knapp. Außerdem hat sich der Bürgermeister doch in letzter Zeit „ein bisschen zu sehr für die Zigeuner eingesetzt“. Damit sind die unbegleiteten minderjährigen Migranten, Syrer und Afghanen, gemeint, die im Alten Seglerhaus vorübergehend Aufnahme gefunden haben. Den Guldenbergern passt das überhaupt nicht, die zwölf Jugendlichen sind ihnen suspekt, einer der Stadträte möchte sie sogar internieren, eine Art Privatgefängnis aus dem Seglerhaus machen, eine Idee, die einem aus der hiesigen Politik bekannt vorkommen mag – Bad Guldenberg ist eine Chiffre, jedes Kaff in Deutschland oder Österreich könnte damit gemeint sein.

Christoph Hein, der als Hausautor in den Siebzigerjahren an der Volksbühne Berlin arbeitete und der 1982 mit der Novelle „Der fremde Freund/Drachenblut“ erstmals als Prosa-Autor sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands Bekanntheit erlangte, erzählt hier in parabelhafter Manier die Geschichte eines politischen Mikrokosmos, der manchmal an die Schildbürger erinnert. Das Alte Seglerhaus konnte nur in ein Migrantenheim umfunktioniert werden, weil die Stadtverwaltung sich nicht entscheiden wollte, was damit geschehen sollte – privatisieren oder auf Gemeindekosten renovieren? Selbst schuld also.

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