Deutschland

Bluttat in Würzburg - Anwalt dementiert islamistisches Motiv

Die Innenstadt von Würzburg.
Die Innenstadt von Würzburg.(c) imago images/HMB-Media (Heiko Becker via www.imago-images.de)
  • Drucken

Der 24-jährige Somalier wird wegen dreifachen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes angeklagt. Sein Pflichtverteiger schließt ein islamistisches Motiv aus. Ermittler wollen dies derzeit noch nicht ausschließen. Fest stehe derzeit nur, dass die meisten Opfer weiblich seien.

Nach der tödlichen Messerattacke in Würzburg rückt nun das Motiv des mutmaßlichen Täters in den Fokus. Auch in der Nacht zum Samstag war die Polizei eigenen Angaben zufolge mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort, um die Hintergründe und den Ablauf der Tat zu ermitteln. Noch ist unklar, warum der 24-jährige Somalier die Tat beging. Ein islamistisches Motiv schließt sein Pflichtverteidiger, Hanjo Schrepfer, aus. "Offiziell hat er sich noch nicht zur Sache eingelassen", sagte er. Gegen ihn wurde nun ein Haftbefehl erlassen, womit auch die Anzahl der Opfer indirekt bestätigt wurde. Die Anklage lautet auf dreifachen Mord und sechsfachen versuchten Mord.

Die zuständigen Behörden haben am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz weitere Details zur Bluttat veröffentlicht. Demnach wurden drei Frauen in einem Kaufhaus getötet, wie Unterfrankens Polizeipräsident Gerhard Kallert mitteilte. Auch die meisten Verletzten sind weiblich.

Ob der mutmaßliche Täter - ein 24 Jahre alter Mann aus Somalia - bewusst Frauen als Opfer ausgewählt hatte, sei noch nicht bekannt und müsse noch ermittelt werden, hieß es. Nach gegenwärtigem Ermittlungsstand könne es sich auch um einen Zufall handeln. Eine verletzte Frau befand sich am Samstag noch in Lebensgefahr. Zwei von sieben ernstlich Verletzten konnten inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden, der Zustand der anderen sei ärztlich stabilisiert worden, hieß es auf der Pressekonferenz.

Womöglich ist der Angreifer, der nach der Tat angeschossen und festgenommen wurde, psychisch krank. Aber auch ein islamistisches Motiv des Angreifers wird den Ermittlern zufolge geprüft. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Samstag, der junge Mann habe bei seiner Vernehmung eine Äußerung gemacht, die auf religiösen Fanatismus schließen lasse. Hinweise auf Kontakte zu militanten Salafisten gibt es dem Vernehmen nach bisher jedoch nicht.

Vor allem Frauen als Opfer - auch ein Kind

Am späten Freitagabend setzte die Polizei auch einen Hubschrauber ein. Die Polizei entkräftete Befürchtungen, der Angreifer könnte Mittäter gehabt haben. Der Hubschrauber unterstütze die Ermittlungen. "Wir fahnden nicht nach weiteren Personen", schrieb sie auf Twitter. Zur Zahl der Verletzten machte sie zunächst keine konkreten Angaben.

Die Polizei hatte den mutmaßlichen Täter mit einem gezielten Schuss gestoppt, nachdem Passanten ihnen den Weg gezeigt hatten. Der 24-Jährige, der seit 2015 in Würzburg lebt, kam mit einem Oberschenkeldurchschuss in ein Krankenhaus. Dort machte er laut Polizei auch kurze Angaben. Was genau er sagte, war zunächst unklar.

Vorfälle in Obdachlosenheim  - Hassbotschaften entdeckt

In dem Obdachlosenheim, in dem der Verdächtige zuletzt gelebt hatte, wurden unterdessen von den Ermittlern Hassbotschaften gefunden. Das gab der Leitende Kriminaldirektor Armin Kühnert bekannt. Das Material sei sichergestellt, aber noch nicht ausgewertet worden. Auch Nachrichten auf einem entdeckten Handy müssten noch untersucht werden, was wegen der dabei genutzten Fremdsprache etwas dauere.

Der Angreifer soll schon im vergangenen Jänner bei einem Streit in einer Obdachlosenunterkunft zu einem Messer gegriffen haben. Dabei habe er die Waffe "bedrohlich in der Hand gehalten", sagte Wolfgang Gründler von der Generalstaatsanwalt Bamberg. Worum es bei der Auseinandersetzung mit Mitbewohnern und Verwaltern ging, gab Gründler nicht preis. Verletzt worden sei damals niemand. Die Polizei leitete aber ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und Beleidigung ein, der Somalier kam vorübergehend in eine Psychiatrie.

Erst vor wenigen Wochen soll der 24-Jährige zudem einen Verkehrsteilnehmer in der Würzburger Innenstadt belästigt haben: "Da hat der Beschuldigte ein verstörtes Verhalten mit psychischen Auffälligkeiten gezeigt." Der Mann sei erneut in eine Psychiatrie gekommen, aber nach einem Tag wegen fehlenden Behandlungsbedarfs entlassen worden.

Bürger stellten sich dem Angreifer in den Weg

In der Mainstadt herrschte am Abend Entsetzen. Menschen stellten in der Nähe des Tatorts brennende Kerzen in Gedenken an die Opfer auf. In den Blickpunkt gerieten auch die couragierten Bürger, die sich dem Angreifer in den Weg stellten. Dank kam unter anderem von vielen Politikern, die offensichtlich die kurzen Videoclips in sozialen Netzwerken gesehen hatten, in den Passanten den Somalier attackieren.

In den im Internet verbreiteten Clips war zu sehen, wie mehrere Menschen versuchen, den Angreifer zu überwältigen. Ein Mann ging mit einem Besen auf den 24-Jährigen los, andere waren mit Stühlen in der Hand zu sehen.

Reaktionen aus der Politik

"Ich bin von dieser unfassbar brutalen Tat tief erschüttert", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Angehörigen. Eine abschließende Bewertung des Tatmotivs sei noch nicht möglich. "Nach allem, was wir wissen, ist es dem couragierten Eingreifen mutiger Männer und Frauen in Würzburg und dem entschlossenen Handeln der Polizei zu verdanken, dass noch Schlimmeres verhindert wurde", sagte Seehofer. Dieses selbstlose und mutige Handeln "unter Einsatz ihres eigenen Lebens verdient höchste Anerkennung".

Ministerpräsident Söder kündigte für Bayern Trauerbeflaggung an. "Die Ereignisse sind unfassbar und schockierend", sagte er in Nürnberg. Bayern trauere um die Opfer. "Wir bangen, beten und hoffen mit den Verletzten und den Angehörigen." Besonders dankte Söder den Bürgern, die am Freitag versucht hätten, den Täter zu stellen und in Schach zu halten: "Das war ein ganz beeindruckendes Engagement."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich "erschüttert" über die Ereignisse. "Der Täter hat mit äußerster Brutalität gehandelt. Für diese menschenverachtende Tat wird er durch den Rechtsstaat zur Verantwortung gezogen." Ganz Deutschland trauere mit den Angehörigen der Opfer. "Ich bin in Gedanken bei denen, die ihre Nächsten verloren haben. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung." Zudem drückten Vertreter verschiedener Parteien vor allem per Twitter ihr Mitgefühl aus.

Axt-Angriff im Jahr 2016

Die Tat erinnert an einen islamistischen Anschlag vor knapp fünf Jahren in Würzburg. Am 18. Juli 2016 waren in einem Zug vier Menschen schwer verletzt worden. Ein 17-jähriger afghanischer Flüchtling hatte mit einer Axt und einem Messer in einem Regionalzug auf dem Weg nach Würzburg die Reisenden angegriffen. Anschließend flüchtete er zu Fuß, attackierte eine Spaziergängerin und wurde schließlich von Polizisten erschossen.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Deutschland

Angreifer von Würzburg verletzte mehr Menschen als bislang bekannt

Insgesamt habe es drei Tote, fünf lebensgefährlich und vier leicht Verletzte gegeben, erklärte Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann.
Bluttat

Würzburg: "Eklatanter Verdacht" auf islamistisches Motiv

Ein Migrant aus Somalia hatte am Freitagnachmittag in Würzburg drei Frauen erstochen und sieben Menschen verletzt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann vermutet eine islamistisch motivierte Tat.
Anteilnahme in Würzburg: Passanten zünden Kerzen für die Opfer an; im Dom gab es eine Trauerfeier.
Deutschland

Würzburg: War es ein Amoklauf oder doch Terror?

Würzburg gedachte der Opfer eines tödlichen Messerangriffs und rätselte über die Hintergründe der Tat.
Messerattacke

Gedenkfeier nach Würzburger Gewalttat - Handyauswertung läuft

Drei Menschen sind tot, sieben verletzt, der Verdächtige in Untersuchungshaft. In Würzburg wollen die Bürger nun der Opfer gedenken, indes untersuchen die Ermittler das Leben des Messerangreifers.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.