Literatur

Auge in Auge mit dem Feind

In einem unzugänglichen Waldgebiet namens Kočevsko hatten Partisanen im Zweiten Weltkrieg eine ganze Region von deutschen und italienischen Okkupanten befreit. Vitomil Zupans Roman „Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)“: ein Meisterwerk der europäischen Romankunst.

Stünde Vitomil Zupan nicht in der Ungnade des falschen Geburtsortes, würde er heute als einer der großen europäischen Erzähler des 20. Jahrhunderts gelten. Mit der literarischen Technik des Bewusstseinsstromes wusste er so artifiziell und einfallsreich zu spielen wie James Joyce; die gelehrten Exkurse seiner Romane führen wie die Canettis zurück bis zu den Mythen der Vorzeit; und die beredt formulierte Überzeugung, dass Widerstand angebracht sei, gerade wenn das Scheitern abzusehen ist, teilte er schon früh mit den später weltberühmt gewordenen französischen Existenzialisten. Vitomil Zupan aber wuchs in Ljubljana auf, sein Werk ist in einer der kleinen europäischen Sprachen verfasst, und es nimmt fortwährend Bezug auf die komplizierte Geschichte des Balkans. Das alles hat lange verhindert, dass seinen kunstreichen wie konfliktträchtigen Romanen außerhalb seiner Heimat jene Aufmerksamkeit zuteilwurde, die ihnen gebührte.

Freilich, wäre Vitomil Zupan kein Slowene gewesen, hätte er auch seinen grandiosen Roman „Menuett für Gitarre (zu 25 Schuss)“ nicht schreiben können, den er 1975 veröffentlichte, und der von Erwin Köstler nun in ein furioses Deutsch übertragen wurde. Dieses Sprachkunstwerk spielt an einem vermeintlichen Nebenschauplatz der europäischen Geschichte, nämlich in einem unzugänglichen Waldgebiet namens Kočevsko: Dort hatten die Partisanen im Zweiten Weltkrieg eine ganze Region von den deutschen und italienischen Okkupanten befreit und von 1943 bis zum Kriegsende erfolgreich gegen SS-Divisionen verteidigt. Hier wurden, verborgen im dichten Wald, ein Krankenhaus, ein Theater, ein Verlagshaus samt Druckerei errichtet, kulturelle und volksbildnerische Veranstaltungen organisiert. Hier existierte für wenige Monate „ein Staat zur Probe“, als Vorspiel auf die sozialistische föderative Republik Jugoslawien, deren kommunistische Partei ihren Geheimdienst bereits nach Verrätern, Abweichlern, vermeintlichen Spionen suchen ließ, bevor die Besatzer überhaupt besiegt waren.

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