Literatur

Liebt mich meine Mutter?

Neu entdeckt: die rabiat-poetischen Erinnerungen der 1917 geborenen dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen.

Es ist wohl kein Zufall, dass Tove Ditlevsens Romane ausgerechnet jetzt auf Deutsch neu aufgelegt wurden. Sie passen genau in den literarischen Trend des Autofiktionalen, über dessen Ursache man wohl rätseln kann: Suchen Autoren und Autorinnen ob krisenhafter Zeiten in frühen Erinnerungen Halt, überprüfen sie, was damals war, um das Jetzt zu verstehen? Hat sich in unserer Gesellschaft die Lüge so breitgemacht, dass wir darob vermehrt zum „Wahren“ greifen, obwohl wir wissen, dass die Unterscheidung zwischen „wahr“ und „falsch“ in der Literatur keinen Sinn ergibt? Und nein, das soll keine Wertung sein, einige der besten deutschsprachigen Romane des Jahres – Monika Helfers „Vati“, Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ – sind Teil dieses Trends.

Tove Ditlevsen (1917 bis 1976) wurde jedenfalls in Rezensionen hoch gelobt für das Wagnis, schon damals – wir reden von den Sechzigerjahren – ohne falsche Scham und in großer Offenheit über ihr eigenes Leben zu schreiben, auch über die Abhängigkeit von Opiaten, mehrere gescheiterte Ehen, zwei Abtreibungen und wechselnde Affären. Der erste Teil der im Aufbau Verlag erschienenen „Kopenhagener Trilogie“, über ihre Kindheit, ist tatsächlich ein wunderlich zartes und dabei rabiates Werk. Kann es sein, dass hier immer wieder die Lyrikerin durchschimmert, als die sie ja begann?

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