Filmkritik

An der Bar mit Daniel Brühl

Ab Donnerstag im Kino: Daniel Brühl als Daniel (rechts) in der betont urigen Berliner Kneipe.
Ab Donnerstag im Kino: Daniel Brühl als Daniel (rechts) in der betont urigen Berliner Kneipe.Warner Bros.
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In seinem Kneipen-Kammerspiel „Nebenan“ inszeniert sich Daniel Brühl ziemlich uneitel als ziemlich eitles Schauspieler-Alter-Ego im Clinch mit seinem allwissenden Nachbarn.

Daniel, verkörpert von Daniel Brühl, hat ein gutes Leben. Zum Morgenespresso flutet die Sonne seine Designküche aus Glas und Sichtbeton, am Telefon bemühen sich Agenten und Assistenten darum, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, das spanischsprachige Kindermädchen kümmert sich rührend um den Nachwuchs. Doch bei all dem Luxus hat der erfolgsverwöhnte Schauspieler den Bezug zur rohen, dreckigen Großstadtrealität nicht verloren, nein! Sein Privataufzug führt ihn schließlich vom Dachgeschoß direkt in einen mit Fahrrädern und Moped vollgestellten Berliner Hinterhof. Und seinen Fahrer, der ihn für ein Casting in London zum Flughafen bringen soll, schickt er weg, nicht ohne ihm galant ein Scheinchen zuzustecken: Daniel geht zu Fuß.

Und zwar bis in eine urige Eckkneipe, wo er sich vor der Reise noch einen guten alten Filterkaffee genehmigt. Dass er die Dame hinter der Theke konsequent mit falschem Vornamen anspricht, lässt diese gnädig zu.

Brühl, der mit „Nebenan“ sein Regiedebüt gibt, wollte laut Interviews zuerst einen Film über Gentrifizierung machen. Geworden ist es ein Kammerspiel, das nicht nur vom Zusammenprallen privilegierter „Eindringlinge“ mit abgehängten Alteingesessenen handelt, sondern auch von den hochschäumenden Zweifeln eines Schauspielers, der erkennen muss, dass das Fundament seines Stolzes fragiler ist, als er gedacht hat.

Dialoge von Daniel Kehlmann

Reduziert inszeniert, lebt die Echtzeit-Dramödie (die sich wohl auch auf einer Theaterbühne gut machen würde) von ihren trockenen Dialogen, die Daniel Kehlmann geschrieben hat – nach einer Idee von Brühl. Seinen Ausgang nimmt das Geschehen mit der Lockgeste eines Kerls an der Bar. Ein Autogrammjäger? Peter Kurth spielt gewinnend dieses Ostberliner Original, das sich als Daniels Nachbar – ohne Privatlift – zu erkennen gibt: Müdes Aug, Bierkrug vor sich, dreiste Worte, vorgetragen im schnippischen Plauderton. Mit einer Herabwürdigung von Daniels Schauspielqualitäten fängt das Gespräch schon einmal gut an.

Bald wird's unangenehm privat: Bruno weiß weit mehr über Daniel, als diesem lieb ist. Mit einer Mischung aus Faszination und Abneigung und noch dazu dokumentarischem Eifer beobachtet er dessen Familie seit Jahren. Und sieht jetzt den Moment gekommen, um sich an Daniel zu rächen: für die Immobilienhaie, die Hauptstadteinwohner, die ihn schikanieren, für sein persönliches Unglück seit der Wende – und das ausgestellte Glück, dass er durch die blitzblanken Scheiben von Daniels Penthouse jeden Tag beobachten muss.

Kreisend nähern sich die Dialoge dem Kern der Sache. Die Stimmung schwankt zwischen Aggression und aufkeimender Brüderlichkeit. Das Beisl, geführt von einer umsichtigen, schlagfertigen Wirtin (Rike Eckermann), wird zu einem Ort, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt: Immer wieder will Daniel zum Flughafen aufbrechen, immer wieder folgt eine neue Enthüllung, eine neue Bestellung. Bemerkenswert uneitel spielt Brühl einen bemerkenswert eitlen Kerl, der sich als gelassen und selbstgenügsam geriert, eigentlich aber doch nach der Anerkennung anderer lechzt.

Recht detailreich wird sein berufliches Profil abgesteckt: ein polyglotter, weltweit gefragter Star, bei dem Hollywood und Netflix anklopfen. Es ist nicht schwer, in Brühls Rolle eine fiktionialisierte Version seiner selbst zu erkennen. Daniel habe doch 2002 diesen DDR-Film gemacht? Eine schreckliche Wessi-Verklärung, raunt Bruno.

2003 erschien Brühls Durchbruchsfilm „Goodbye Lenin“, mittlerweile gab er schon einen Marvel-Bösewicht. Sein filmisches Alter Ego will jetzt auch für einen Superhelden-Blockbuster vorsprechen, dessen Inhalt so geheim ist, dass er nur eine Drehbuch-Seite bekommen hat und über die Rolle so gut wie nichts weiß. Lustvoll zieht Brühl hier die Geheimniskrämerei und sülzige Unverbindlichkeit der Hollywood-Gesellschaft durch den Kakao.

Wunderbar witzig die Szene, in der Daniel seine Casting-Szene am Wirtshaustisch mit Bruno übt. Der eine im lapidaren Berliner Akzent, der andere in perfektem Englisch und mit mystisch-dunkler Stimme: „You won't destroy me, Darkman!“

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