Chorleiter im Gespräch

Comeback der Singakademie: „Wir haben alle mit Masken gesungen!“

Heinz Ferlesch im Wiener Konzerthaus: „Wir haben von der Maske viel gelernt!“
Heinz Ferlesch im Wiener Konzerthaus: „Wir haben von der Maske viel gelernt!“Konzerthaus/Nini Tschavoll
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Heinz Ferlesch, Chef der Wiener Singakademie, dirigiert Bachs h-Moll-Messe beim Attergauer Kultursommer. Mit der „Presse“ sprach er über die Auferstehung.

Der Fortissimo-Auftakt zum „Et resurrexit“ nach dem „Passus et sepultus est“ in Bachs h-Moll-Messe ist für Heinz Ferlesch einer der sprichwörtlichen Gänsehautmomente. Immer schon. Und heute mehr denn je. „Wir dürfen wieder anfangen“, sagt er mit hörbarer Freude in der Stimme. „Es war purer Zufall, dass die Bach-Messe als erstes Werk nach dem Lockdown auf unserem Probenplan stand“, sagt er, aber – den Zufall gibt's halt nicht. „Und der Gedanke an das Resurrexit ist wichtig. Jeder Tag beginnt doch damit!“

Für einen Chorleiter waren die vergangenen Monate besonders fordernd. Singen galt als extrem gefährlich. Ferlesch als Chef der Wiener Singakademie war wiederholt in politische Entscheidungsprozesse mit eingebunden, stand beratend zur Verfügung – und er arbeitete ab dem ersten Moment, an dem das möglich war, mit seinen Chören.
„Man muss da“, plaudert er aus der Schule, „zwischen der normalen Chorlandschaft und jenen Gruppen, denen der ,berufliche Zweck‘ zugestanden wurde, unterscheiden. Mir und meinem Team ist sehr bewusst, dass bei Organisationen, die im professionellen Bereich angesiedelt sind, aber mit Semiprofis besetzt sind, die im Hauptberuf einer anderen Tätigkeit nachgehen, konsequentes Training wesentlich ist, um den Organismus zu erhalten.“

Deshalb hat sich Ferlesch bemüht, praktikable Lösungen zu finden und zu ermöglichen. „Die Singakademie blieb nur einen Monat ohne Probe“, erzählt er. Danach fand man einen Modus: „Wir haben unter strengsten Auflagen gearbeitet. Alle wurden vor der Probe getestet. Wir haben alle mit Masken gesungen!“

Wobei sich ein Musikfreund gerade das als nahezu unmöglich vorstellt. „Es hat sich herausgestellt, dass das das geringste Problem ist“, sagt Ferlesch, um fortzusetzen: „Tatsächlich habe ich viel von der Maske gelernt. Wir haben nach Masken geforscht, die leichter zu tragen sind, aber einen vollwertigen Schutz bieten.“

Arbeit an der Textverständlichkeit

Fündig wurde man im medizinischen Bereich: „Wir haben eine Maske verwendet, die auch im Wiener AKH im Einsatz ist.“ Und der Klang? „Wunderbar homogen“, sagt Ferlesch und lacht: „Wirklich! Gelitten hat lediglich die Textverständlichkeit. Und daran haben wir hart gearbeitet.“ Gewiss nicht zum Schaden der Aufführungen in Zeiten, in denen wieder ohne Mundschutz gesungen werden darf!

Die Singakademie - die auch am Dienstag im Wiener Konzerthaus die „Carmina burana“ sang - ist nicht der einzige Chor, den Heinz Ferlesch betreut. „Ich habe viele Hüte auf“, sagt er. Besonders stolz trägt er jenen einer Vereinigung, die er selbst vor bald drei Jahrzehnten gegründet hat: „Das ist der Chor Ad Libitum, der jetzt wirklich bald 30 Jahre alt ist und der sich schnell zu einem überregionalen Klangkörper entwickelt hat. Der macht mir große Freude.“

Eröffnung am Freitag in St. Georgen

Mit ihm hat Ferlesch Johann Sebastian Bachs „Hohe Messe“ schon vor Jahren erarbeitet. Für diesen Sommer stand dieses Gipfelwerk wieder auf dem Programm. Dass die geplanten Aufführungen nun tatsächlich stattfinden können, sieht Ferlesch als Wink des Schicksals. Seit April wird probiert. Am 16. Juli eröffnet der Chor im Verein mit Ferleschs Instrumentalensemble Barucco mit der Bach-Messe festlich den Attergauer Kultursommer in der Pfarrkirche St. Georgen (Beginn um 20 Uhr).

Im Attergau reicht das Festspielspektrum dann bis 12. August wieder über die Literatur („Der unbekannte Herr Arthur S.“) bis zum Tango, vom weiteren Bach-Abend mit Michi Gaigg zur philharmonischen Kammermusik und zum Crossover-Abend mit dem Signum Saxophone Quartet und dem vielseitigen Cellisten Matthias Bartolomey.

Heinz Ferlesch zieht mit der Bach-Messe nach dem Auftakt in St. Georgen weiter: Tags darauf ist das Werk in der Pfarrkirche Langenhart in St. Valentin zu hören, noch einmal einen Tag später, am 18. Juli im Stift Herzogenburg (jeweils 19 Uhr). Die Solisten sind Elisabeth Breuer, Patricia Nolz, Daniel Johannsen und Matthias Helm. Und alle Künstler miteinander hoffen, dass ihre Initiative auch auf fruchtbaren Boden fällt.
Viel war in den vergangenen Monaten die Rede davon, wie wichtig die Kultur für uns alle ist. Nun, da die Zeit des Streamens und sonstiger Ersatzvornahmen vorbei ist und Konzerte wieder live stattfinden können, braucht es nicht nur die Künstler, die musizieren und singen, sondern auch die Menschen, die kommen, um ihnen zuzuhören. So ein Bachscher Fortissimo-Auftakt in D-Dur zur Feier der Auferstehung wäre doch wahrlich ein würdiger Anlass.

Alle Termine: www.barucco.com/termine/
www.attergauer-kultursommer.at

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