Literatur

Der „Meister der Apokalypse“ wurde in Salzburg geehrt

Heiterer Priester der Literatur: Lászlò Krasznahorkai bei der Entgegennahme des Österreichischen Staatspreises für Literatur in Salzburg.
Heiterer Priester der Literatur: Lászlò Krasznahorkai bei der Entgegennahme des Österreichischen Staatspreises für Literatur in Salzburg.(c) imago images/Manfred Siebinger (Manfred Siebinger via www.imago-images.de)
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Der Ungar László Krasznahorkai nahm den Österreichischen Staatspreis für Literatur entgegen – und nannte österreichische Vorbilder.

Wie ein Priester der Literatur sah er aus, der ungarische Ehrengast László Krasznahorkai, nach Salzburg gekommen, um den Österreichischen Staatspreis für Literatur entgegen- zunehmen. Dunkles, hoch geschlossenes Gewand, Kollar-artiger Kragen – aber darüber ein frohes, freies Lächeln. Ein fröhlicher Priester der Literatur.

Die Fröhlichkeit, der Humor sind immer schon aus dem so apokalyptischen Werk des heute 68-jährigen ungarischen Schriftstellers gesickert, und mit der Zeit immer freier. Als „Meister der Apokalypse“ rühmte den damals noch recht jungen Kollegen einst die Schriftstellerin und Essayistin Susan Sontag. Lang blieb er ein literarischer Geheimtipp, er berückte und verzauberte mit Untergangsszenarien voller surrealer Elemente, grotesk, sarkastisch, meist in seiner ungarischen Heimat angesiedelt. Vor allem aber mit seiner hochmusikalischen, eigentümlichen Sprache. Einer Sprache, die bei aller Musikalität so wenig „eingängig“ ist wie der der Name des Autors für das Publikum in Salzburg. Krasznahorkais jüngster Roman „Herscht 07769“, der im Oktober in deutscher Übersetzung herauskommt, besteht (wie etwa der Roman „Zone“ des Franzosen Mathias Énard) aus einem einzigen, Hunderte Seiten langen Satz.

Kafka, Doderer, Patti Smith

Mehrere (alt)österreichische Schriftsteller kamen in Krasznahorkais Dankesrede zu Ehren, Rilke, Kafka, Doderer und Thomas Bernhard hätten ihn beeinflusst, sagte Krasznahorkai. Doch er nannte auch Musiker – Jimi Hendrix, Bob Dylan, Patti Smith.

Wie ihr Autor haben Krasznahorkais Bücher ihren Erzählmittelpunkt in Ungarn – von wo aus sie freilich gern ausschweifen, wie der weit in der Welt herumgekommene, heute in Triest lebende Autor. „Herscht 07769“ etwa spielt überhaupt nicht in Ungarn, sondern in Deutschland: einem winzigen Dorf in Thüringen, so öd und unbeachtet, dass es gerade deshalb Neonazis hier gefällt. Die machen sich hier breit, verängstigen die Bewohner. Dazwischen steht der Protagonist Herscht, der die Welt davor warnen will, dass sie bald ins Nichts stürzen wird. Auch Musik spielt – wieder einmal – eine Rolle: Krasznahorkais bizarre, aber sympathische Hauptfigur findet tröstliche Zuflucht in Bachs Musik.

Untergang ist immer, droht immer bei Krasznahorkai – eine, wie Festredner Klaus Kastberger betonte, stets menschengemachte, oft entmenschlichende Apokalypse. Begleitet wird sie von so gewaltigen wie trügerischen Hoffnungen, Heilsversprechen. Allmählich aber wurden Krasznahorkais Untergangsszenarien doch etwas gelassener. Waren seine frühen Romane, wie „Sátanstango“ und „Melancholie des Widerstands“ (das als sein Hauptwerk gilt) voller dämonischer Elemente, hat Krasznahorkai mit „Baron Wenckheims Rückkehr“ zuletzt, wie er selbst sagt, „seinen ersten humoristischen Roman“ geschrieben. Ein armer Baron kehrt dabei in seine kleine ungarische Heimatstadt zurück, weil er dort seine verlorene Liebe wiederfinden will. Doch die Bewohner täuschen sich in ihm, sie sind überzeugt, in ihm ihren Retter gefunden zu haben, der dem Ort aus der Misere helfen wird.

In Salzburg bedankte sich der Autor nicht nur bei den Gastgebern, bei Künstlern, die ihn inspiriert hätten, auch bei der ungarischen Sprache und beim Schöpfer der Natur, bei Gott. Und ging – ein letztendlich doch heiterer Priester der Literatur.

(sim)

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