In Wien ging der große Terrorprozess um den einst radikalen Islam-Prediger Mirsad Omerovic ins Finale.
Man musste zwei Sicherheitsschleusen passieren, um in den Gerichtssaal zu gelangen. Schwarz maskierte Justizwachebeamte, Polizei sowie Verfassungsschützer in Zivil sicherten die Verhandlung. Die Rede ist vom großen Wiener Terrorprozess, der am Dienstag auf die Zielgerade einbog. In emotionalen Schlussworten baten die Angeklagten die Geschworenen um Milde.
Beschuldigt waren der frühere radikal-islamische Prediger Mirsad Omerovic (39), der Tschetschenien-Flüchtling Turpal I. (32) und seine frühere Lebensgefährtin A. (28), der aus der Steiermark stammende, vormals zum Islam konvertierte Bernd T. (32) und seine Frau N. (30). Auch die Mutter von Turpal I. ist angeklagt, sie ist aber untergetaucht und wird per Haftbefehl gesucht.
Mit Kleinkind im Kampfgebiet
Turpal I. war laut Anklage Mitglied in den radikal-islamistischen Terrororganisationen Jamwa, Jabhat al Nusra und Islamischer Staat (IS). Er soll 2013 und 2014 in Syrien an der Ermordungen von Männern und Frauen in „nicht näher bekannter Anzahl“ beteiligt gewesen sein. Omerovic soll als seinerzeitiger „Hassprediger“ den Boden für die jihadistischen Aktivitäten aufbereitet haben.
T. wird vorgeworfen, den IS unterstützt zu haben. Der Steirer war 2013 mit seiner (nun mitangeklagten) Frau und seinem damals neugeborenen Sohn vorübergehend in die syrischen Kampfgebiete gezogen.
Emotionale Schlussworte
In einem emotionalen Schlusswort, das er immer wieder abbrach, weil er mit den Tränen kämpfte, erklärte nun der Steirer, er habe „mit dieser Ideologie abgeschlossen“. Mittlerweile ist T. zweifacher Vater. Er lebe nun „frei von Religion“. Denn: „Ich wollte meine Kinder in den ganzen Schwachsinn nicht hineinziehen.“
Die letzten zehn Jahre habe er vergeudet – „mit einer Gehirnwäsche, mit Schwachsinn, mit einer Ideologie“. In einem eindringlichen Appell an die Geschworenen schloss er: „Von mir geht keine Gefahr mehr aus. Bitte lassen sie mich wieder Teil der Gesellschaft sein.“
Omerovic alias Ebu Tejma, der frühere Prediger, der einst auch per YouTube-Kanal seine radikal-islamistischen Vorträge veröffentlicht hat, sitzt derzeit eine 20-jährige Haftstrafe wegen versuchter Anstiftung zum Terrormord ab. Angesichts der neuen Vorwürfe meinte er nun in seinem Schlusswort: „Es tut mir leid, was damals passiert ist.“
Von den in der Anklage aufgelisteten Gräueltaten habe der nunmehrige Angeklagte aber nichts gewusst, ergänzte dessen Anwalt Leonhard Kregcjk. Omerovic selbst fügte an, er sei im Gefängnis mit einem Pfarrer in Kontakt gekommen: „Der katholische Seelsorger hat mir die Hand gereicht“. Und: „Er glaubt als Mensch an mich.“
Turpal I. wiederum, sagte mit leiser, kaum hörbarer Stimme, er sei zwar in das syrische Kriegsgebiet gereist, „dass ich dort Gräueltaten begangen habe, sind aber falsche Vorwürfe“. Man müsse ihn verwechseln. Sein Anwalt Florian Kreiner warf ein, dass die Angaben des von der Staatsanwaltschaft aufgebotenen Kronzeugen „von vorne bis hinten nicht stimmen“.
Auch die frühere Lebensgefährtin von Turpal I. wandte sich zuletzt noch persönlich an die Geschworenen: „Ich möchte, dass meine Kinder hier gut erzogen werden.“
Laut ihrer Verteidigerin wird A. derzeit von einer, bald sogar von zwei Sozialarbeiterinnen betreut. Die Angeklagte hoffe, „dass sie in Österreich bleiben darf.“ Die junge Frau, die mit zwölf Jahren mit ihrer Familie aus Tschetschenien nach Österreich geflohen ist, sei auch gar nicht mit Turpal I. bis nach Syrien gereist. Sie habe in der Türkei auf ihren Mann gewartet.
„Sie hat sich ihrem Ehemann untergeordnet.“ Es sei auch keine Straftat „hier ein Kopftuch zu tragen“, erklärte die Verteidigerin den Geschworenen – im Hinblick darauf, dass ihre Klientin mit einem weißen Kopftuch und weitem, bodenlangen Gewand zum Prozess gekommen war.
„Bedingungsloser Gehorsam“
Hingegen hat die ebenfalls angeklagte Frau des Steirers religiösen Sitten den Rücken gekehrt. Sie kam durchaus weltlich gekleidet und trug ihr Haar offen. Das war nicht immer so. „Zu ihren Regeln gehörte, dem Ehemann bedingungslos zu gehorchen“, erläuterte ihr Anwalt. Beide Frauen ersuchten um Freisprüche.
Spannend blieb die Frage, ob der bereits verurteilte Omerovic eine Zusatzstrafe bekommt. Insofern drohte lebenslange Haft. Der Staatsanwalt meinte zuletzt, der Ex-Prediger habe auf die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates hingearbeitet. Dafür habe er Muslime als Kämpfer angeworben. Die Urteile standen aus.