ORF-Sommergespräche

Kogler im Sommergespräch: „Menschenrechte gelten auch für Österreich“

Grünen-Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler im Gespräch mit Lou Lorenz-Dittlbacher
Grünen-Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler im Gespräch mit Lou Lorenz-DittlbacherORF
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Ein pragmatischer Werner Kogler hält im Interview fest: Nach Afghanistan wird nicht abgeschoben.

Kein sonniger Start war dem Grünen-Chef und Vizekanzler in seinem Auftritt bei den ORF-“Sommergesprächen“ vergönnt. Und das lag nicht nur am Wetter. Bei strömendem Regen fing man auf dem Dach des Leopold Museums im Wiener Museumsquartier nicht wie in der ersten Runde mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit Persönlichem an, sondern ging direkt ans Eingemachte.

Wird Österreich angesichts der aktuellen Entwicklungen Abschiebungen nach Afghanistan tatsächlich nicht aussetzen, wie es Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch am Wochenende bekräftigt hat, fragte ihn Anchorwoman Lorenz-Dittlbacher. „Es wird faktisch und auch aus rechtlichen Gründen keine Abschiebungen nach Afghanistan geben“, wiederholte auch Kogler seine Aussage von vergangener Woche. Niemand dürfte in ein Land gebracht werden, wo Folter und Tod drohen.

Das habe „die ganze Bundesregierung“ verstanden, betont Kogler. Die Aussagen des Innenministers seien auch für ihn „irritierend“ gewesen, räumt er ein. Es zählte aber „die Wirklichkeit“, und die sehe keine Abschiebungen vor. Denn am Ende gehe es um die Menschenrechte - „und die gelten auch für Österreich. „Auch wenn das Innenministerium sehr lange gebraucht hat, um hier einzuschwenken“, meint Kogler. Wichtig sei das Ergebnis. „Es wird nicht abgeschoben, das ist ganz klar“.

Außerdem gehe es in erster Linie um die Hilfe vor Ort, so der Parteichef, und verwies auf den Auslandskatastrophenfonds. Österreich beteilige sich mit 3 Millionen Euro Hilfe. Eine Situation wie jene in 2015 müsse verhindert werden, so der Grünen-Chef. Ausweichend reagierte er auf die Frage, ob Österreich weiterhin Asylanträge aus Afghanistan annimmt. „Das kann ich nicht sagen, was passieren wird“, antwortete er, aber es sei „unterstützenswert“ wenn Frauen, Mitarbeitern von Menschenrechtsorganisationen oder Journalistinnen und Journalisten geholfen werde. Ob man im Einzelfall eingreifen kann, könne er nicht versprechen, „weil wir bekanntlich nicht alleine regieren“.

Vom Rebellen zum Pragmatiker?

Aber apropos Koalitionsarbeit. Die Zusammenarbeit in der Regierung funktioniere, meint er auf Frage nach Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit der Grünen. Die Gesprächsbasis sei über weite Strecken „gut“, die Arbeitsbasis „tragfähig“. Natürlich habe man Differenzen, so der Vizekanzler, Unterschiede gebe es genug, „sodass wir eine gute Arbeitsbasis schaffen müssen. Und das haben wir."

„Pragmatisch“ also. So wurde er von Weggefährten bezeichnet, denn zu Persönlichem kam es in der Sendung dennoch - wenn auch nur kurz. Er sei früher ein „Rebell“ gewesen, so Grünen-Gründungsmitglied Andreas Wabl. „Aber das ist er nicht mehr, das kann man nicht behaupten." Als „Sturschädel, aber trotzdem wahnsinnig pragmatisch“, bezeichnete ihn Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon. Und so gab sich Werner Kogler auch in der Sendung. Welche Position er als Fußballfan am Feld der Politik innehabe - und welche gegnerische Mannschaft ihm gegenüberstehe, wurde er etwa gefragt. „Wichtig ist, dass man nicht am Gegner orientiert, sondern an der Sache“, antwortete der Parteichef. Und hier zähle Ausdauer, Kampfeslust und Teamfähigkeit.

„Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit"

Für sein Kernthema, dem Klimaschutz, blieb nicht viel Zeit. Genaue Details zu seiner am Wochenende angekündigten ökosozialen Steuerreform mit CO2-Bepreisung nannte er ohnehin nicht. Die geplante Reform sei „ein wichtiges Element“ von vielen, so der Vizekanzler, und verwies auf eine Reihe von Initiativen und Förderungen - im privaten Bereich wie auf Betriebsebene. Wichtig sei, dass umweltfreundliches Verhalten belohnt werde und klimaschädliches einen Preis haben muss.

Es sei noch offen, ob man die ökosoziale Steuerreform über „klassische Steuern“ einführe oder ob sie die Wirtschaft tragen werde. Die Verhandlungen würden noch laufen, im Herbst werde es ein Ergebnis geben, zeigte sich Kogler zuversichtlich, räumte aber ein: „Das ist keine leichte Aufgabe, das Ganze muss ja Hand und Fuß haben“. 

Generell sei die Handschrift der Grünen im Klimaschutz aber „schon erkennbar und außerdem mit dicken Lettern geschrieben“. Das Vorhaben, Österreich bis 2040 klimaneutral zu gestalten, sei „eine kleine Revolution“. Auf Kritik am Bundeskanzler, der in diesem Zusammenhang vor einem „Weg zurück in die Steinzeit“ gewarnt und gemeint hatte, die Klimakrise sei auch ohne Verzicht zu bewältigen, ließ sich Kogler nicht ein. „Steinzeit hin oder her, das ist Begriffsklauberei. Es geht ums Thema.“ Natürlich sei Veränderung notwendig. Aber: „Man muss Chancen sehen und sich nicht fürchten.“

Kommt ein weiterer Lockdown?

Ganz ohne Corona kam die Sendung freilich nicht aus. Ob ein „Lockdown nur für Ungeimpfte“ kommen werde, wurde Werner Kogler gefragt. Er hält fest: „Dort sind wir nicht“. Die Situation könne man nicht mit jenen von vorangegangenen Lockdowns vergleichen, schließlich funktioniere das System der 3-G-Regelung in Österreich gut und sei „weiterhin ausreichend" und die Intensivstationen seien nicht überlastet.

Auch seien viele Menschen bereits vollimmunisiert. Wenn auch nicht genug, fügte er an und rief zum Impfen auf. Schließlich ginge es nicht nur um den eigenen Schutz, sondern auch um jenen der andern. „Es gibt nicht nur Tod und Verderben“, warnte Kogler eindringlich. „Auch bei jungen Menschen kann etwa das Long-Covid-Syndrom auftreten."

(bsch)

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