Katastrophe

1400 Opfer nach Erdbeben auf Haiti - und jetzt kommt der Tropensturm

Die zerstörte Kirche von Les Anglais auf Haiti.
Die zerstörte Kirche von Les Anglais auf Haiti.APA/AFP/REGINALD LOUISSAINT JR
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Es werden noch viele Menschen in den Trümmern der zerstörten Gebäude vermutet. In der betroffenen Region gehen schon starke Regenfälle nieder - Vorboten von Sturmtief „Grace".

Nach dem Erdbeben in Haiti mit mehr als 1400 Toten haben starke Regenfälle die Menschen in der betroffenen Region im Südwesten des Karibikstaates in neue Probleme gestürzt. Die EU-Kommission kündigte indes Hilfe in Höhe von zunächst drei Millionen Euro an. Das Geld solle etwa für medizinische Versorgung, Wasser-, Abwasser- und Hygienedienste sowie für Unterkünfte und Schutzmaßnahmen für die am stärksten betroffenen und benachteiligten Gemeinschaften eingesetzt werden.

"Wir sind bereit, weitere Unterstützung zu leisten", versicherte EU-Kommissar Janez Lenarcic. In einer Notunterkunft im Ort Les Cayes auf der vom Erdbeben schwer getroffenen Halbinsel Tiburon im Südwesten Haitis stand das Wasser infolge des Unwetters "Grace" unterdessen knöchelhoch. Völlig durchnässte Überlebende des Bebens vom Samstag suchten das Camp auf, ihr Hab und Gut teils in Säcken auf dem Kopf tragend, wie andere Bilder zeigten. Viele obdachlos gewordene Menschen übernachteten bisher im Freien.

Das für die Regenfälle verantwortliche Tiefdruckgebiet "Grace" sei mittlerweile wieder zu einem Tropensturm erstarkt, teilte das US-Hurrikanzentrum in seinem Lagebericht vom Dienstagmorgen (Ortszeit) mit. "Grace" erreiche Windgeschwindigkeiten von bis zu 65 Kilometern pro Stunde, in den Böen teils höher, hieß es.

Das Hurrikanzentrum warnte vor Überschwemmungen und Erdrutschen in Teilen der Insel Hispaniola, auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Als Folge des Regens könnte das Wasser örtlich bis zu 25 Zentimeter Höhe erreichen, in Einzelfällen sogar bis zu 38 Zentimeter.

Berichte über neue Schäden oder Verletzte als Folge des Unwetters gab es zunächst nicht. Der Tropensturm werde noch im Laufe des Dienstags an Jamaika und den Cayman-Inseln in Richtung der mexikanischen Yucatán-Halbinsel vorbeiziehen, teilte das Hurrikanzentrum mit.

SOS-Kinderdorf startet Nothilfe vor Ort

SOS-Kinderdorf startet indes Nothilfe für Kinder und Familien. Das SOS-Kinderdorf Les Cayes liegt direkt in der Erdbebenregion, von dort aus laufen die Maßnahmen an. Vor allem sollen Nahrungsmittel, Hygieneartikel, Medikamente und Kleidung verteilt und Notunterkünfte zur Verfügung gestellt werden. "Kinder sollen in Kinderschutzzentren einen sicheren Ort finden und psychologisch betreut werden, um Traumatisierungen entgegenzuwirken. Mittelfristig wird in diesen Nothilfe-Tagesstätten auch provisorischer Unterricht stattfinden können", teilte die Hilfsorganisation mit. Die Mitarbeiter seien mit lokalen Behörden auch im Einsatz, um im Chaos getrennte Familien wieder zu vereinen. SOS-Kinderdorf ist seit über 35 Jahren in Haiti aktiv und hat schon nach dem Erdbeben 2010 Nothilfe geleistet. Im danach erbauten SOS-Kinderdorf Les Cayes seien alle dortigen Kinder und Familien wohlauf und sicher.

Die Zahl der bestätigten Todesopfer des Erdbebens der Stärke 7,2 stieg mittlerweile auf 1419, wie die Zivilschutzbehörde am Montag mitgeteilt hatte. Rund 6900 Menschen wurden bei der Katastrophe verletzt - und viele noch in den Trümmern der zerstörten Gebäude im Süden des Landes vermutet.

Das Beben hatte sich Samstagfrüh (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud östlich von Les Cayes in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Mindestens 13.700 Häuser wurden nach Angaben der Zivilschutzbehörde zerstört, ebenso viele beschädigt. Mehr als 30.000 Familien seien betroffen. Laut Caritas International werden vor allem Nahrung, Trinkwasser, Zelte und medizinische Erstversorgung benötigt.

„Totales Chaos“ der Regierung

Die haitianische Menschenrechtsorganisation RNDDH kritisierte den Umgang der Regierung mit der Katastrophe als "totales Chaos". "Sie sind völlig sich selbst überlassen", hieß es hinsichtlich der Erdbebenopfer. Einige suchten auf eigene Faust nach Zelten zum Schutz vor dem Unwetter. Vor personell unterbesetzten und schlecht ausgestatteten Krankenhäusern warteten verzweifelte Verletzte.

Interims-Premierminister Ariel Henry kündigte bei Twitter schnellere Arbeit an. "Wir werden unsere Energien verzehnfachen, um die größtmögliche Zahl von Opfern zu erreichen und ihnen zu helfen", schrieb er. Für eine bessere Koordination der Maßnahmen werde die Präsenz der Regierung erhöht. Henry ordnete auch drei Tage Staatstrauer in dem leidgeplagten Land an.

Bandengewalt erschwert Rettungseinsätze

Sorgen bereitete außerdem, dass durch Bandengewalt die Fernstraße, die die Hauptstadt Port-au-Prince mit Haitis Süden verbindet, häufig unpassierbar wird - das könnte die Lieferung von Hilfsgütern erschweren. Banden kämpfen miteinander um Kontrolle über Gebiete in Port-au-Prince. Die Gewalt trieb allein im Juni nach UN-Zahlen rund 15.000 Menschen in die Flucht.

Haiti war auch nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 mit mehr als 220.000 Toten schlecht auf eine ähnliche Katastrophe vorbereitet. Von dem Geld, das damals für den Wiederaufbau aus dem Ausland zugesagt worden war, sahen die meisten Haitianer wenig - ein großer Teil verschwand infolge von Verschwendung und Korruption.

Das ohnehin schwer unterfinanzierte Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Pandemie überstrapaziert. Bis es Mitte Juli eine Spende aus den USA erhielt, hatte das Land als einziges in Amerika noch keinen Corona-Impfstoff.

Auch hier spielt die Bandengewalt eine Rolle: Eine Notfallklinik der Organisation Ärzte ohne Grenzen in Port-au-Prince wurde geschlossen, nachdem auf sie geschossen worden war. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse durch eine Kommandotruppe in seiner Residenz am 7. Juli verschärft hatte.

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www.sos-kinderdorf.at/nothilfe-haiti

(APA/dpa)

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