Die Regierung in Peking übt immer mehr Druck auf seinen Internetsektor aus. Am Dienstag ließen die Behörden wieder neue Regeln vom Stapel. Die Aktienmärkte finden das gar nicht gut.
Sie sind schon seit Monaten leidgeprüft – doch nun will China die Daumenschrauben noch fester anziehen: Die Regierung in Peking plant, den Zugriff auf die milliardenschwere Technologiebranche des Landes weiter zu verschärfen. Die Wettbewerbsbehörde SAMR veröffentlichte am Dienstag ein ganzes Bündel an Regulierungsvorschlägen, um unfairem Wettbewerb und unkontrollierter Datenverarbeitung einen Riegel vorzuschieben.
Die Regulierungsbehörde plant nun, dass Unternehmen keine Daten oder Algorithmen verwenden dürfen, um den Datenverkehr zu lenken oder die Entscheidungen der Nutzer zu beeinflussen. Zudem soll verhindert werden, dass Firmen irreführende Informationen verbreiten, um Wettbewerber schlecht aussehen zu lassen. Im Visier hat die Behörde auch Marketingkampagnen, die auf gefälschte Bewertungen oder Ratings abzielen. Das könne E-Commerce-Marktplätzen und Videoportalen das Leben erschweren, sagte Michael Norris von der Beratungsfirma Agency China.
Die Öffentlichkeit kann nun bis 15. September Stellung nehmen. Bereits mit 1. September werden neue Regeln zum Schutz von systemkritischen Infrastrukturen eingeführt. Bekannt wurde inzwischen auch, dass die Regierung kleinere Anteile an zwei wichtigen Technologieunternehmen, dem TikTok-Eigner Byte Dance und dem Twitter-Pendant Sina Weibo, übernommen hat.
Minus für Hang Seng Tech
Am Aktienmarkt sorgte der Vorstoß für Entsetzen und zog die Anteilsscheine von Konzernen wie Alibaba, Tencent, Bilibili und Meituan in die Tiefe. Schon am Montag hatte es bei Onlinespieleplattformen einen Abverkauf gegeben, nachdem in staatlichen Medien Kritik an dem Sektor geübt worden war. Der Hang-Seng-Tech-Index fiel am Dienstag nach Bekanntwerden der neuen Maßnahmen um bis zu vier Prozent. Von seinem Höchststand im Februar hat er sich infolge des harten Vorgehens der Regierung bereits um 40 Prozent entfernt. Die US-Regulierungsbehörde SEC warnte unterdessen bereits vor Risiken bei der Investition in chinesische Aktien. Viele Amerikaner wüssten nichts über so manche chinesische Firma, die an der US-Börse gelistet sei, so SEC-Chef Gary Gensler in einer Videobotschaft.
Nach Jahren, in denen die Regierung in Peking den Technologiekonzernen freie Hand gelassen hat, hat sie ihre Meinung inzwischen geändert. Schon über den ganzen Sommer hinweg war es bei einigen Firmen infolge von Vorstößen Pekings immer wieder zu Kursrutschen gekommen.
Einschränkungen von Bildung bis Versicherungen
Etwa im privaten Bildungssektor. Unternehmen, die Schullehrprogramme unterrichten, dürfen nämlich keine Gewinne mehr erzielen oder an die Börse gehen. Akademische Angebote für Kinder unter sechs Jahren müssen gänzlich eingestellt werden. Für New Oriental, eines der größten privaten Bildungsunternehmen in China, ging es an der Börse seit Jahresbeginn rapide bergab (minus 90 Prozent). Ein ähnliches Schicksal ereilte Scholar Education (minus 86 Prozent).
Zuletzt wurden neben dem Bildungssektor, auch Videodienste und Onlineversicherer an die Kandare genommen. Nach Schätzungen des Onlineberaters iResearch haben Investoren allein 45 Mrd. Yuan in Versicherungstechnologie gesteckt.
Im Juli hat China die Regeln für Börsengänge chinesischer Firmen im Ausland verschärft. Dies führte dazu, dass die US-Aufsicht SEC die Börsenpläne chinesischer Firmen an der Wall Street auf Eis legte. (ag./nst)
(ag/nst)