Coronamaßnahmen

"Ansteckend wie Windpocken": Infektiologe wirbt für 1G-Regel

Geimpfte werden seltener infiziert und seltener krank, sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch.
Geimpfte werden seltener infiziert und seltener krank, sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch. (c) Reuters
  • Drucken

Reden reicht nicht, sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch. Das Mitglied der nationalen Impfkommission plädiert dafür, dass nur noch gegen das Coronavirus Geimpfte bestimmte Orte besuchen dürfen.

Die Zahl jener Personen, die Impfungen äußert skeptisch gegenüberstehen, ist in Österreich traditionell hoch. Ein Umstand, der sich derzeit einmal öfter bestätigt: Ließen sich Anfang Juli noch zwischen 80.000 und 90.000 Personen pro Tag gegen das Coronavirus impfen, waren es in der Vorwoche nur noch knapp 20.000. Von letzteren, so zeigen es die Daten des Gesundheitsministeriums, erhielten etwa 5000 Menschen die erste Impfung. Damit fällt die Republik im europäischen Vergleich beim Impffortschritt zurück. Tendenz: weiter fallend.

Für Infektiologe Herwig Kollaritsch ein durchaus besorgniserregender Befund. Denn: „Wir beobachten, dass sich die Impfskeptiker vor allem über die sozialen Netzwerke sehr stark austauschen und da eine Art Schneeballeffekt entsteht“, sagte er am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“. Und das „ist etwas, wo wir mit der rationalen Argumentation kaum hineinkönnen“. Das sei problematisch. Freilich sollte man weiterhin versuchen auf diese Gruppe „auf dem konventionellen Weg“, sprich mit aufklärenden Worten, zuzugehen.

Aber: „Ich muss zugeben, auch wenn ich kein großer Freund dieser Maßnahmen bin: Ich sehe zunehmend weniger Spielraum, dass man nicht doch auf etwas wie die 1G-Regel umsteigt.“ Dahinter verbirgt sich das Vorhaben, nur noch Geimpften den Zutritt zu gewissen Orten zu gestatten. Welche das sein sollen, sollte Kollaritsch, der auch Mitglied der nationalen Impfkommission ist, zufolge durch Analysen der Ages festgelegt werden.

„Mit hohen Antikörperspiegel praktisch unansteckbar“

Freilich könnten auch Geimpfte infiziert werden. Allerdings geschehe das seltener als bei Ungeimpften. Und: „Sie werden auch wesentlich seltener krank, was bedeutet: Sie spielen im epidemiologischen Geschehen eine wesentlich geringere Rolle.“ Ein Beispiel: „Wenn ich in der Nachtgastronomie zehn Personen sitzen habe, die ungeimpft und getestet sind, und zehn Personen, die geimpft sind, und es kommt eine Person herein, die diese Leute ansteckt, dann werden die zehn Ungeimpften ein hohes epidemiologisches Risiko für die zukünftige Verbreitung der Erkrankung darstellen.“

Vereinfacht ausgedrückt: Ihr Risiko, sich zu infizieren, ist weitaus höher. Bei den zehn Vollimmunisierten wären indes maximal ein oder zwei betroffen, meint der Epidemiologe, der auch allen von Covid-19 Genesenen empfiehlt, sich impfen zu lassen - zumindest einmal. Und zwar „frühestens vier Wochen nach der Erkrankung, spätestens sechs Monate danach“. So würden „exorbitant hohe Antikörperspiegel “ ausgebildet, was die Betroffenen „besonders gut schützt". Man kenne zwar noch nicht die genauen Schwellenwerte, aber: „Wenn jemand sehr hohe Antikörperspiegel hat, ist er praktisch nicht ansteckbar.“ 

Eine Aussicht, die vor allem mit Blick auf die nahende, kühlere Jahreszeit relevant ist, in der die Menschen seltener im Freien sein werden, das Coronavirus aber immer noch unter ihnen ist. Allen voran die sogenannte Delta-Variante, die nach Kollaritsch' Ansicht „ungefähr so infektiös wie die Windpocken“ sei. Im Vergleich zur „Wildvariante“, die ursprünglich in Österreich kursierte, gebe es durch die Mutante eine Verdreifachung der Infektiosität.

1G-Regel via Verordnung realisierbar

Geht es nach dem Medizinrechtsexperten Karl Stöger könnte eine 1G-Regel, wie von Kollaritsch erwogen, jederzeit per Verordnung eingeführt werden. Die entsprechende Ermächtigung befindet sich nämlich im Covid 19-Maßnahmengesetz. Allerdings: Diese Verordnung müsste, um einer möglichen Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standzuhalten, medizinisch überzeugend begründet werden: „Eine mit Augenmaß gemachte 1G-Regel hat meines Erachtens gute Chancen, vor dem Verfassungsgerichtshof zu bestehen“, meinte Stöger.

Ähnlich Verfassungsrechtsexperte Heinz Maier: Er hält eine 1G-Regel für rechtlich möglich und auch geboten, um die Geimpften von Beschränkungen zu befreien. Auch eine Impfpflicht sei verfassungsrechtlich zulässig, wenn es notwendig sei, um eine größere Gefahr für die Gesundheit von Menschen abzuwenden.

(hell/APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.