Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag nachhaltig verändert – das hat Auswirkungen auf die Räumlichkeiten.
Corona hat in weiten Bereichen den Arbeitsalltag nachhaltig verändert. „Büro nach Corona wird niemals mehr so sein wie Büro vor Corona“, ist Andreas Gnesda, Geschäftsführer von Teamgnesda, überzeugt. So sei Home-Office gekommen, um zu bleiben. „Umfragen zeigen, dass auch nach der Pandemie drei von vier Mitarbeitern zwei oder drei Tage in den eigenen vier Wänden arbeiten wollen“, sagt Gnesda.
Die Dezentralisation führe dazu, dass sich die Rolle und Funktion des Büros wandle. Nicht mehr konzentriertes Arbeiten, sondern Kommunikation und Kollaboration stünden dort künftig im Vordergrund. Nora Fehlbaum, CEO von Vitra, sieht das genauso: „Wer sich heute und in Zukunft für den Gang ins Büro entscheidet, macht das bewusst – man trifft auf Kollegen, sucht Zusammenhalt und Wertschätzung. Man spürt die gemeinsame Mission und den Unternehmenszweck an diesem Ort.“ Statt nüchterner Meetingräume, „in denen alles, von der Teamsitzung bis zur Kündigung“, über die Bühne gehe, müssten die Räumlichkeiten qualitativ mehr bieten. „Für ein Büro ohne Charakter, in dem sich Kollegen voreinander verstecken, spart man sich die Anfahrt lieber und bleibt zu Hause“, sagt Fehlbaum.
»"Wir sind noch sehr vom Industriezeitalter geprägt."«
Andreas Gnesda, Geschäftsführer von Teamgnesda.
Club-Office im Kommen
Die Büros müssten somit nicht nur in Hinblick auf Grundrisse, Kapazität und Flexibilität für das neue Arbeiten geeignet sein, auch die Infrastruktur sei wichtig: „Das beginnt bei Kühlung, Lüftung und Luftqualität und geht über die Akustik bis zur perfekten Datenanbindung und schließlich zur Nachhaltigkeit“, weiß Gnesda. In der Einrichtung werde sich der Wandel ebenso niederschlagen: So werden beispielsweise elektrisch höhenverstellbare Schreibtische Standard sein. Gleichzeitig werde der Bedarf an Möbeln, die Begegnung ermöglichen, steigen. „Büros werden wie Lounges in Hotels aussehen“, fasst Gnesda zusammen. Bis es so weit sei, werde es jedoch dauern: „Wir sind noch sehr vom Industriezeitalter geprägt“, meint der Experte.

Vitra hat bereits mit dem sogenannten Club-Office, das erstmals am Hauptsitz in Birsfelden bei Basel für das firmeneigene Team Research & Design umgesetzt wurde, auf diese Entwicklung reagiert: In einem sogenannten öffentlichen Bereich treffen Mitarbeiter aus allen Bereichen, aber auch externe Partner spontan zum Austausch aufeinander. Der halböffentliche Bereich ist der formellen Zusammenarbeit gewidmet: Die Club-Mitglieder treffen einander zu Projektarbeiten, Workshops oder Ähnlichem in buchbaren Räumen, die dank flexibler Möbel einfach umgebaut werden können. Ein dritter, privater Teil des Club-Office besteht aus Arbeitsplätzen, an die man sich zurückziehen kann – aber er inkludiert auch das Home-Office, das sich für viele im letzten Jahr für konzentrierte Einzelarbeit als geeignet erwiesen hat.
»"Wer sich heute und in Zukunft für den Gang ins Büro entscheidet, macht das bewusst – man trifft auf Kollegen, sucht Zusammenhalt und Wertschätzung."«
Nora Fehlbaum, CEO von Vitra.
Wertigkeit wird künftig auch dort großgeschrieben. „Die vergangenen Monate haben den Betroffenen gezeigt, wie wichtig ein ruhiger, ergonomisch korrekter Arbeitsplatz ist“, sagt Gnesda. Ein eigenes Arbeitszimmer, oder zumindest eine Nische dafür, stehe bei vielen daher hoch im Kurs – das spiegle sich in der Nachfrage nach größeren Wohnungen wider. Der Umbruch in der Arbeitswelt wird sich letztendlich auf den Büroimmobilienmarkt auswirken. Büros werden Gnesda zufolge nicht nur kleiner, es werden auch Flächen nicht mehr vermietet werden können. „Das wird vor allem B- und C-Lagen betreffen“, prophezeit der Experte.
Büromarkt auf Erholungkurs
Im zweiten Quartal des Jahres hat dies übrigens generell gegolten: Nach Angaben des Vienna Research Forums (VRF) lag die Vermietungsleistung bei nur 15.250 Quadratmetern. Das sind um 59 Prozent weniger als im Vorquartal und um 50 Prozent weniger als im zweiten Quartal des Vorjahres. Leicht gestiegen ist hingegen die Leerstandsquote – und zwar von 3,9 auf 4,1 Prozent, hat das VRF erhoben. Der Gesamtbestand an modernen Büroflächen wird mit 5,93 Millionen Quadratmetern beziffert.
In den sieben größten deutschen Städten hingegen verzeichnete das Maklerunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL) im ersten Halbjahr bei stabilen Spitzenmieten einen Flächenumsatz von 1,31 Millionen Quadratmetern – ein Minus nur von einem Prozent zum Vorjahreszeitraum. „Der Markt hat sich schnell gefangen“, sagt Stephan Leimbach, Chef für Bürovermietungen bei JLL Deutschland. Dank der Staatshilfen seien Insolvenzen im großen Stil ausgeblieben, der Arbeitsmarkt sei robust. Die meisten Mietverträge liefen ohnehin über Jahre. Für das Gesamtjahr 2021 erwartet JLL ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
NEUE STANDORTE GESUCHT
Laut dem Beratungsunternehmen EHL sind derzeit viele Unternehmen dabei, ihre Bürokonzepte zu überdenken. Im Zentrum der Überlegungen steht eine Kombination aus mobiler und stationärer Büroarbeit. Manche Unternehmen hätten sich bereits für neue Standorte entschieden, da die neuen Arbeitsformen in ihren Bestandsimmobilien nicht umsetzbar waren, einige weitere sondierten noch den Markt. Die stärksten Impulse erhielt der Büromarkt im ersten Halbjahr 2021 aus dem öffentlichen Bereich, etwa durch die Anmietung von rund 9100 m2 im Myhive am Wienerberg durch die AUVA.