Öko-Zertifikate

Die grüne Währung für Immobilien

(c) Soravia
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Gebäude ohne Nachhaltigkeitszertifikat werden langsam, aber sicher zum Auslaufmodell. Was fehlt, ist ein einheitliches System.

Der neue Austro Tower am Wiener Donaukanal, gebaut von Soravia und im Eigentum von Deka Immobilien, strebt mit ÖGNI Platin und Leed gleich zwei der begehrten Nachhaltigkeitszertifikate an. Um das zu erreichen, wird unter anderem Wasser aus dem Donaukanal für Heizung und Kühlung genutzt und das System mit grünem Strom betrieben. Das spart das Äquivalent der CO2-Emissionen von etwa 2600 Vier-Personen-Haushalten. Das ÖGNI-Zertifikat in Gold gibt es auch für das Wohnbauprojekt „Grünblick“ im zweiten Wiener Gemeindebezirk, ein Projekt von Value One: 85 Prozent des Wärme- und Kältebedarfs werden aus nachhaltigen Energiequellen bezogen, die Digitalisierung des Gebäudes soll beim schonenden Umgang mit Ressourcen helfen.

Dass immer mehr Entwickler für ihre Projekte solche Nachhaltigkeitsnachweise anstreben, ist kein Zufall. Sie ermöglichen nicht nur eine attraktivere Finanzierungssituation, sondern auch eine bessere Marktstellung im Hinblick auf Vermietung und Verkauf.

Ruf nach EU-Zertifikat

Nachhaltigkeitszertifikate sind also sozusagen die „grüne Währung“ für Immobilien. Und wie im Währungsbereich gibt es davon unterschiedliche Ausformungen: Das deutsche Qualitätszertifikat DGNB etwa berücksichtigt den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes anhand von sechs Kriterien: Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Qualität, Technik, Prozesse und Standort. In Österreich vergibt die ÖGNI das gleichnamige Zertifikat in Platin, Gold und Silber anhand von DGNB-Kriterien, Die USA verwenden den Leed-Standard, in Großbritannien werden Breeam-Zertifikate ausgestellt.

Gerade in dieser Vielfalt ortet Franz Pöltl, Geschäftsführender Gesellschafter von EHL Investment Consulting, jedoch eine der wesentlichen Schwachstellen: „Es gibt kein einheitliches, europaweites System. Wenn jemand eine Immobilie errichtet, weiß er oft nicht, wer eines Tages der Mieter oder der Käufer ist. Ist das ein Angelsachse, bevorzugt er vermutlich Breeam oder Leed. Ist es ein Deutscher, wird er DGNB oder ÖGNI erwarten. Zusätzlich gibt es in Österreich einige Fonds, die nur bei einer Klimaaktiv-Zertifizierung investieren können. Die vielen verschiedenen Systeme und Zertifikate sind eine Katastrophe.“ Der Experte fordert daher eine einheitliche Vorgabe durch die Europäische Union.

Druck von Investoren wächst

Dennoch ist Nachhaltigkeit im Gebäudebereich längst ein Muss: „99 Prozent aller professionellen Developer sorgen inzwischen automatisch für eine Zertifizierung“, weiß Georg Fichtinger, Senior Director CBRE Capital Markets. Welches Zertifikat es letztlich werde, spiele bei der Vermarktung eine zweitrangige Rolle, vorausgesetzt, es ist von der höchsten Kategorie. „Wenn man nichts vorzuweisen hat, kann man von einem minderen Wert sprechen“, meint der Experte. Pöltl sieht das ganz ähnlich: „Ein Zertifikat wird in Zukunft ein Verkehrserfordernis sein. Wer keines vorweisen kann, wird nicht zu vernünftigen Preisen vermieten oder verkaufen können.“ Büroimmobilien gehören hierbei zu den Vorreitern, berichtet Fichtinger: „Bei diesen sind Nachhaltigkeitszertifikate ,State of the Art‘. Shoppingcenter werden kaum neu gebaut, hier gibt es Bestandszertifizierungen. Im Logistik-Bereich und im Wohnbau wird das zunehmend ein Thema.“

Laut Pöltl spielt hierbei nicht zuletzt der Marketingeffekt eine gewichtige Rolle: „Es gibt den Trend, dass nur noch in nachhaltigen Gebäuden Flächen angemietet oder gekauft werden“, so der Experte. Der gesellschaftliche Druck habe die Branche zum Nachjustieren des ökologischen Fußabdrucks gezwungen, ergänzt Fichtinger. „Ein internationaler Mieter, dem man schon heute oft einen Green Lease anbieten kann, wird sich in kein unzertifiziertes Bürogebäude setzen. Daneben machen aber auch Investoren Druck. Das ist gut so und für unser aller Zukunft wichtig!“ Ähnlich Pöltl: „Es gibt keinen Investor, der ein Gebäude nicht kauft, weil es nachhaltig ist. Es gibt aber viele, die ein Gebäude nicht kaufen, weil es nicht nachhaltig ist.“

Das Ende des Weges sei, so Fichtinger, noch nicht erreicht: „Es entwickelt sich hin zur ESG-Konformität und EU-Taxonomie.“ Und auch für Pöltl ist Nachhaltigkeit ein fixes Zukunftsthema. „Sobald die Pandemie und die Ukraine-Krise überwunden sind, wird es zu einem massiven Entwicklungsschub mit einer neuen Dynamik in diesem Bereich kommen“, prophezeit der Experte. „Dann sollte es auch eine einheitliche Zertifizierung geben.“

Auf einen Blick

Die ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft) zertifiziert nach den Kriterien des europäischen DGNB-Qualitätszertifikats der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Das DGNB-System ist flexibel und kann an unterschiedliche Gebäudenutzungen und länderspezifisch angepasst werden. Zu den bekanntesten internationalen Standards gehören das britische Breeam und das amerikanische Leed. Standards für die Zukunft setzen die ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie.

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