Protest

Wäre Jesus heute Klimaaktivist?

Die Presse/Clemens Fabry
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Christ zu sein heißt für Simon Pories, sich für das Klima zu engagieren. Über „Religions for Future“ beteiligen sich Glaubensgemeinschaften am heutigen Klimastreik.

Wien. Genau genommen ist ja jeder Freitag Kampftag für „die Fridays“. Doch Qualität ist oft besser als Quantität, das haben auch die Klimaaktivisten verstanden. Deswegen konzentriert man sich statt auf kleine, wöchentliche Demos eher auf seltene, dafür umso größere Protesttage. Ein solcher, nämlich der achte weltweite Klimastreik, geht am Freitag über die Bühne.

In vielen Städten Österreichs haben Fridays for Future zu Demos aufgerufen, in Wien wird durch die Innenstadt marschiert. Eine homogene Gruppe von Teenager-„Nerds“ in Secondhandkleidung sind die Protestierenden schon lang nicht mehr. „Manche sind klassisch öko oder links orientiert, andere liberal und sehen in der Klimawende eine Chance für die Wirtschaft. Und es gibt auch die religiöse Motivation“, sagt Simon Pories. Der 20-jährige Fridays-Aktivist organisiert die Vernetzung zu Religionsgemeinschaften. Das ökumenische Bündnis „Religions for Future“ ist Teil der breiten Allianz aus über 100 Organisationen, die sich hinter die Klimaproteste stellt.

„Nachdem es schon die Parents, Architects, Scientists for Future gab, wollten wir auch die Religionen einbeziehen. Die hatten aber längst selbst die gleiche Idee.“ Im Sommer 2019 formierte sich schließlich die Initiative Religions for Future aus Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche, der buddhistischen Religionsgesellschaft und der islamischen Glaubensgemeinschaft. Andere Gemeinschaften stießen nach und nach dazu.

Als aktiver Ministrant und Musiker in seiner Pfarre in Aspern war die Aufgabe, den Draht zu den Religionen zu haben, wie für Pories geschaffen. „Nicht alle bei den Fridays können mit dem religiösem Zugang etwas anfangen“, sagt er. Was sie vereint, sei jedoch das Ziel, die Politik zu mehr Anstrengungen gegen die Klimakrise zu bewegen.
Gläubiger Katholik und Klimaaktivist zu sein, das steht für Pories, Sohn einer Pastoralassistentin und des Vikariatssekretärs in Wien, in keinem Widerspruch – im Gegenteil: „Es steht zwar in der Bibel: ,Macht euch die Erde untertan.‘ Aber wenn man daran glaubt, dass die Welt uns geschenkt ist, dann ergibt es keinen Sinn, sie zu zerstören.“ Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen sei einer der Hauptgründe, warum Pories aktiv geworden ist. „Ich trage kein riesiges Kreuz auf der Brust, das Engagement ist meine Art, mein Christsein zu leben.“

Nicht mehr „Gosch'n halten"

„Hände falten, Gosch'n halten“, ein derartiges Motto, das auch mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht wird, hat für den Raumplanungsstudenten wenig mit Glauben zu tun. „Sich anpassen, nach oben buckeln, das ist ein falsches Bild von Christen, mit dem ich nichts anfangen kann.“ Schließlich habe sich Jesus selbst nicht davor gescheut, Missstände scharf zu kritisieren und gegen Normen und Gesetze zu verstoßen und aufzubegehren, meint Pories. „Als christliche Person muss man Normen hinterfragen“, der Schulstreik für das Klima oder ziviler Ungehorsam der Besetzer im Lobau-Camp seien nichts anderes, sagt er.
Die Unterstützung der Proteste durch Kardinal Christoph Schönborn und die katholische Kirche bedeutet ihm viel. Pories erzählt von dem Moment, als er den Weih- und Jugendbischof Stephan Turnovszky auf einer Demo getroffen hat. „Das hat enorm Rückendeckung und Kraft gegeben. Man kriegt ja nicht immer positives Feedback, oder man wird belächelt.“
Dennoch findet er, dass die katholische Kirche noch stärker mit gutem Beispiel vorangehen könnte. Mit der Fülle an Ländereien und Gebäuden könne man in Sachen Klimaschutz noch viel tun, meint Pories.

Gebet, dann Demo

Auch im Vorfeld zu der Demo am Freitag haben Kirchenvertreter dazu aufgefordert, den Streik zu unterstützen. Bischof Alois Schwarz rief in der „Kronen Zeitung“ zum Klimaschutz auf, von der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien hieß es: „Gehen Sie mit uns demonstrieren!“
Am Freitag treffen sich Vertreter der Glaubensgemeinschaften und alle Interessierten ab 11.30 Uhr vor der Johann-Nepomuk-Kirche in Wien Leopoldstadt. Nach einer Einstimmung mit einem „Laudato si“-Gebet schließen sich die Gläubigen dem Demonstrationszug an. Pories wird auf dem Demowagen ganz vorn mit dabei sein. „Als Ministrant steh ich auch immer vorn. Und ich schrei gern“, sagt der 20-Jährige, der in seiner Pfarre oft auch für die musikalische Gestaltung sorgt. Er könne viel nutzen von dem, was er in der Kirche gelernt habe.

Impfbus bei Demo

Die Route der Wiener Demo, die sich diesmal besonders gegen die großen Straßenbauprojekte Lobau-Autobahn und Stadtstraße richtet, führt ab zwölf Uhr vom Praterstern über die Praterstraße und dann über den Stuben- und Parkring bis zum Heldenplatz, wo bis 17 Uhr die Abschlussreden stattfinden sollen. Hinter dem Kunsthistorischen Museum wurde gemeinsam mit der Stadt Wien ein Impfbus organisiert, der von elf bis 20 Uhr geöffnet sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2021)

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