Gewässerökologie

Lunz als Labor: Öko-Beziehungen vor Ort erkennen

Süßwasser-Wissenschaftler aus der ganzen Welt erforschen den Lunzer See im Ybbstal.
Süßwasser-Wissenschaftler aus der ganzen Welt erforschen den Lunzer See im Ybbstal.Thomas Aichinger / picturedesk.c
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Seit über hundert Jahren ist der Lunzer See in Niederösterreich beliebtes Studienobjekt. In Zeiten des Wandels will man hier umso nachdrücklicher herausfinden, wie unterschiedliche Einflüsse zusammenwirken.

Obwohl der Lunzer See nach wie vor Trinkwasserqualität hat, hat er sich in den vergangenen Jahren stark verändert“, sagt Robert Ptacnik. Der aus Bayern stammende Gewässerökologe ist spezialisiert auf Phytoplankton, also pflanzliches Plankton bzw. Kleinstalgen. An diesem sonnigen Vormittag im Oktober sitzt er lässig auf dem Geländer des Steges vor dem alten Seelabor in Lunz und berichtet von seiner Forschung. Das Besondere daran ist: In Lunz werden seit 1905 täglich Luft- und Wassertemperatur sowie andere Parameter gemessen. Damit stehen Vergleichswerte für über ein Jahrhundert zur Verfügung.

Am Wassercluster Lunz, wie die Forschungsstation heute heißt, sind drei Universitäten beteiligt: Neben der Universität Wien und der Boku Wien ist das auch die Donau-Universität Krems. Vor Ort forschen 87 Mitarbeiter, Süßwasser-Wissenschaftler aus aller Welt, es gibt Laboratorien und Freilandanlagen. Denn anders als an den meisten Seen Österreichs (und anderswo) ist in Lunz der Naturraum rund um das Gewässer in einem recht ursprünglichen Zustand geblieben.

Das erlaubt Rückschlüsse. Vor 100 Jahren etwa war der 33 Meter tiefe See an durchschnittlich 100 Tagen im Jahr mit Eis bedeckt. „In den Siebzigerjahren gab es auf dem zugefrorenen See Autorennen“, sagt Ptacnik und blickt vom Steg aus aufs Wasser hinaus. 2007 ist er zum ersten Mal gar nicht zugefroren. „Die wärmeren Temperaturen sind positiv für den Tourismus“ – gerade an einem Ort, der als Kältepol in Ostösterreich gilt. Für das Ökosystem sind sie es nicht.

Fischgemeinschaft verändert sich

Ptacnik deutet auf den Berg gegenüber: „Schauen Sie auf den Scheiblingstein.“ Seit den 2000er-Jahren sei der Wald dort vom Klimawandel betroffen, vom Fichtensterben. Am Hang sind zahlreiche Bäume umgeknickt, aus der Ferne schauen sie dürr und grau aus. Mit ihnen sterben selbstverständlich auch ihre Wurzeln ab, die dabei halfen, den Boden auf dem abschüssigen Gelände zu befestigen und die Erde an ihrem Platz zu halten. Ohne Struktur und mit häufigen Wetterextremen wie Hitze oder Starkregen destabilisiert sich der Boden, wie Ptacnik sagt, die Erosion beginnt, Nährstoffe werden aus- und über die Zuflüsse in den See gewaschen. Für die Wissenschaftler ist dafür der Phosphor im See ein wichtiger Indikator. Bei Hochwasser messen sie den drei- bis vierfachen Wert des Nährstoffes im Wasser; aber auch der Normalwert ist im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts gestiegen.

Ptacnik beobachtet in der Folge eine Veränderung der Fischgemeinschaft: Mehr Hechte und Barsche stehen etwa deutlich weniger Saiblingen oder Elritzen gegenüber. Außerdem haben die vorwiegend pflanzenfressenden Rotfedern einige Wasserpflanzen beinahe eliminiert. Welche Faktoren die beobachteten Veränderungen tatsächlich hervorrufen, ist dabei noch unklar. Eines hingegen wird deutlich, während Ptacnik erzählt, auf diesem Steg, an diesem sonnigen Vormittag: wie verwoben ineinander ökologische Bedingungen eigentlich sind.


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