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Der Mord an Olof Palme als nordischer Krimi auf Netflix

Johan Paulin - Netflix
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Eine Krimiserie porträtiert den Mörder des Ministerpräsidenten von Schweden – und unfähige Ermittler.

Die Schrecksekunde kommt gleich zu Beginn. Es ist der 28. Februar 1986, 23.21 Uhr. Zwei Schüsse aus dem Off. Dann sieht man direkt in den Lauf einer Pistole – und in das verdatterte Gesicht des Mörders von Olof Palme. Keine 20 Sekunden dauert es in „Der unwahrscheinliche Mörder“ auf Netflix, bis das Whodunit geklärt ist. Fünf Folgen lang wird dann erzählt, warum die Ermittler Stig Engström nicht für den Täter hielten – einen Wichtigtuer, dem man keinen Glauben schenkte. Oder keinen Glauben schenken wollte, weil man etwas viel Größeres hinter der Tat vermutete.

Denn Olof Palme, Sozialdemokrat und Ministerpräsident von Schweden, war auch international ein einflussreicher Politiker – als Kritiker des Vietnamkriegs und der Apartheid, als UNO-Vermittler im Irak-Iran-Krieg und im Kampf für die Abrüstung. Nach dem Mord standen viele unter Verdacht. „Die Palästinenser, die Deutschen, die Rote Armee Fraktion, Rote Brigaden, die Ustascha, die Nazis, Südafrika: Sie alle hassen Palme“, zählt ein Ermittler in der Serie auf. CIA und Waffenlobby nicht zu vergessen. Also ein politischer Kriminalfall wie aus dem Drehbuch.

Fühlt sich an „wie ein Abszess“

Robert Gustafsson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“) gibt den egozentrischen Engström. Das sei, sagt er, auch „eine Art Therapie“, denn er sei in der Nacht des Mordes im selben Kino gewesen wie Olof Palme. Das Ereignis fühle sich an „wie ein Abszess, der einfach nicht verheilen will“. So ging es vielen Schweden. Mit Nickelbrille und Käppi sieht Gustafsson tatsächlich aus wie Palmes Mörder. Auf Fotos im Internet sieht man ihn mit einer kleinen Tasche, in die er auf der Flucht die Tatwaffe gestopft haben soll. Die Serie stützt sich teilweise auf Fakten (und das Buch „The Unlikely Murderer“ von Thomas Pettersson), es füllt die Leerstellen mit Fiktion. Darunter Szenen einer unterkühlten Ehe, in denen Engströms Ehefrau ihren Mann verstohlen beobachtet. Hat sie etwa Verdacht geschöpft?

Es ist eine Charakterstudie im Nordic-Noir-Format. Draußen knirscht der Schnee. Drinnen trägt man Beige. Engström bekämpft Sorgen und Zweifel mit Alkohol. Da wird das Kamerabild um ihn herum unscharf. Das macht seinen psychischen Ausnahmezustand deutlich – bis er sich wieder aufrappelt und eine neue Story auftischt: den Journalisten, der Polizei. Es ist eine abenteuerliche Mischung aus Glück, Dreistigkeit und Ermittlungsfehlern, die Engström davor bewahrt hat, geschnappt zu werden. Zumindest juristisch blieb der Palme-Mord ungesühnt. Denn aufgeklärt wurde die Tat erst durch zwei hartnäckige Journalisten, die mehr als zwölf Jahre lang dazu recherchiert hatten. Am 10. Juni 2020 gab die Polizei bekannt, dass man Stig Engström für den Mörder von Palme halte. Da war er schon 20 Jahre tot. Er hat im Juni 2000 Suizid begangen.

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