Großbritannien

Taxi-Explosion: Abgelehnter Asylwerber als Verursacher

Surveillance camera footage shows a man extinguishing a burning taxi following an explosion, outside Liverpool Women's hospital
Surveillance camera footage shows a man extinguishing a burning taxi following an explosion, outside Liverpool Women's hospitalCCTV via REUTERS
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Jener Mann, der sich am Sonntag in einem Taxi vor dem Eingang eines Spitals in Liverpool in die Luft sprengte, war laut BBC aus dem Irak und entging jahrelang seiner Abschiebung. 2015 war er feierlich in der anglikanischen Kathedrale der Stadt zum Christentum konvertiert.

Der mutmaßlich Verantwortliche für die Explosion eines Taxis in der nordenglischen Stadt Liverpool am Sonntag ist britischen Medien zufolge ein abgelehnter Asylwerber gewesen. Die BBC und andere berichteten am Mittwoch unter Berufung auf Justizkreise, der Mann, der bei der Explosion starb, habe ein Einspruchsverfahren im Zusammenhang mit seinem abgelehnten Asylantrag schon vor vielen Jahren verloren. Danach war es ihm irgendwie gelungen, weiter im Land zu bleiben, und das nicht einmal unbedingt als „U-Boot", sondern durchaus mit behördlichem Wissen.

Demnach handelte es sich bei dem Mann um einen gebürtigen Iraker namens Emad Al S. (32). Sein Asylantrag wurde bereits 2014 abgelehnt. Später verlor er vor einem Berufungsgericht, worauf er noch vor das „Upper Tribunal of the Immigration and Asylum Chamber" zog, die höchste Instanz für Asyl- und Migrationsprozesse. Dort wurde sein Antrag zurückgewiesen, also ohne erneute inhaltliche Erörterung und Verhandlung. Diese Zurückweisung soll Anfang 2017 erfolgt sein.

2015 indes war S. in Liverpool vom Islam zum (anglikanischen) Christentum konvertiert, im Rahmen einer feierlichen Taufe in der Kathedrale, und wurde laut BBC in einer lokalen Kirchengemeinde aktiv. Das belegen auch Fotos. Mitglieder der Gemeinde beherbergten ihn zumindest zeitweise, in einem Fall ist die Rede von acht Monaten, später fand er auch eigenständig Wohnungen. 2017 wurde seine Taufe durch eine Zeremonie erneuert. Allerdings räumte der Pressesprecher der anglikanischen Diözese Liverpool, Stuart Haynes, mittlerweile ein, dass man im Laufe des Jahres 2018 den Kontakt zu S. verloren habe.

Kurs für Tortenmacher belegt

Ein Priester einer anderen Liverpooler Gemeinde behauptet indes, man habe mit dem Mann noch bis 2019 Kontakt gehabt. Berichten zufolge buk S. gern Kuchen und Pizze für kirchliche Anlässe und verkaufte sie dort. Aus einer Schule, dem City of Liverpool College, heißt es, S. habe als Erwachsener im Zeitraum 2018/19 einen Tortenmacher-Kurs belegt.

Ob die Polizei bzw. das Innenministerium jedenfalls in all den Jahren speziell seit 2017 versuchten, ihn abzuschieben, oder ob solche Maßnahmen ins Leere gingen, war vorerst unklar. Unbekannt waren auch seine Behauptungen, mit denen er Asyl beantragt hatte. Da abgelehnte Asylwerber in der Regel bald auch keine Sozialhilfe mehr bekommen, ist ferner unklar, wie er sich durchschlagen konnte - wobei es freilich Anhaltspunkte für „private" Hilfe wie oben erwähnt gibt. Polizeilich auffällig, etwas durch Drogendeals, wurde er offenbar nicht.

Bombenbau seit Frühjahr

Laut Liverpools Vizepolizeichef Russ Jackson hatte S. seine letzte Unterkunft heuer im April bezogen, er mietete sie im südöstlichen Stadtbezirk Toxteth. Dort soll er auch sehr rasch mit den Vorbereitungen zum Bau jener Bombe begonnen haben, die er letztlich im Taxi zündete. Es lassen sich einschlägige Einkäufe nachweisen.

Am Sonntag ließ sich der Iraker von einem Taxi zu einer Frauenklinik fahren, etwa zehn Minuten von seinem Wohnort entfernt. Der Wagen hielt auf einem kleinen Kreisverkehr dicht vor der Rezeption, explodierte und geriet in Brand. Dem Fahrer gelang wenige Sekunden vor der Explosion die Flucht. Er wurde durch deren Auswirkungen nur leicht verletzt und sagt, die Fahrt sei ganz unauffällig gewesen, bis ihm auf dem Gelände des Krankenhauses klar wurde, dass der Mann im Fond eine Bombe trug.

Wieso S. die Frauenklinik als Ziel der Fahrt gewählt hatte und ob er vielleicht dort eindringen wollte, ist ebenfalls unbekannt. Die Polizei stuft den Vorfall als Terrorismus ein. Es gebe freilich auch Hinweise darauf, dass der Mann psychische Probleme gehabt habe.

„Kaputtes Asylsystem als Karussell"

Innenministerin Priti Patel sagte, der Fall von Liverpool zeige, wie „dysfunktional und kaputt" das britische Asylsystem in der Vergangenheit gewesen sei und weshalb sie es ändern wolle. Der mutmaßliche Täter habe es wie ein „Karussell" benutzt.

Auch die Church of England ist durch den Fall in den Fokus geraten. Dem „Telegraph" zufolge wird der Kirche vorgeworfen, nicht-christlichen Asylsuchern teilweise dadurch zu helfen, dass sie einer Konvertierung zustimmen, die die Chancen auf Asyl erhöhen könnte. Ein Sprecher der Church of England dementierte, dass dahinter System stecke: Es sei „nicht die Rolle der Geistlichkeit, darüber zu befinden, ob ein Asylanspruch begründet ist".

Reverend Cyril Ashton, jener Bischof, der die Taufe von S. anno 2017 erneuert hatte, sagte, er sei schockiert ob des Vorfalls, könne sich aber an den Mann nicht mehr genau erinnern. Er habe immerhin schon Hunderte Taufen und Tauf-Bestätigungen zelebriert. In der besagten Kirche werden laut BBC seit Jahren vor allem Asylwerber aus dem Iran in größerer Zahl auf einen Wechsel zum Christentum vorbereitet.

>>> Link zur BBC

(APA/DPA/red.)

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