Schriftsteller und Kybernetiker Oswald Wiener ist gestorben

Oswald Wiener 2012 bei der Veranstaltung 'Attersee und seine Freunde' in Wien.
Oswald Wiener 2012 bei der Veranstaltung 'Attersee und seine Freunde' in Wien. APA/HERBERT NEUBAUER
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Wegen der "Uni-Ferkelei" musste das Mitglied der legendären Wiener Gruppe Österreich verlassen, später wurde er mit Preisen überschüttet.

Der Kybernetiker, Schriftsteller und Sprachtheoretiker Oswald Wiener ist ein Leben lang der Frage nach der Rolle der Sprache in der Wahrnehmung und in der wirklichen Welt nachgegangen. Wie der „Standard“ meldet, ist der theoretische Kopf der Wiener Gruppe am Donnerstag an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.

Als einen „besessenen Zertrümmerer der Sprache“ bezeichnete ihn in einem „Presse"-Porträt Michael Horowitz. Das Hauptwerk von Wiener, der von vielen Ossi genannt wurde, war „Die Verbesserung von Mitteleuropa“. Hier entwarf er ein Bild des Cyberspace: Ein Glücksanzug entfaltet Wohlbefinden in der Fusion von Mensch und Maschine – „in erster linie ist hierbei an alle formen der ekstase zu denken“.

Immer intensiver beschäftigte sich der Vordenker der künstlichen Intelligenz seit 1956 mit Kybernetik, ein Begriff, von dem man in Europa noch nicht genau weiß, was das eigentlich ist. Acht Jahre später wird er bei der Olivetti-Niederlassung in Österreich angestellt, baut die Abteilung für Datenverarbeitung auf und avanciert zum Direktor. Mit mehr als 20.000 Schilling Monatsgehalt, großer Stadtwohnung und Dienstwagen. Doch bald scheiterte der Bohemien als Bürger; machte Schulden, beging kleinerer Verkehrs- und Gewaltdelikte.

Gefängnis nach der „Uni-Ferkelei"

Bekannt war Oswald Wiener auch wegen der „Uni-Ferkelei": Als er im Hörsaal 1 der Uni Wien am 7. Juni 1968 einen Vortrag über künstliche Intelligenz von Notdurft-Darbietungen seiner Freunde Günter Brus und Otto Muehl begleiten ließ, wurde er zwangspsychiatriert und mehrere Wochen in Untersuchungshaft gehalten. Er musste Österreich verlassen, ihm drohte auch ein Verfahren wegen Gotteslästerung, und gründete in Berlin-Kreuzberg das Künstlerlokal Exil. Nach mehr als zwanzig Jahren in Kanada lebte er später wieder in Österreich.

Wiener, der nacheinander Jus, Musikwissenschaft, afrikanische Sprachen und Mathematik studiert, stieß übrigens als Trompeter der Jazzband Jesus Christbaum zu dem vorerst von der Kritik angefeindeten Künstlerkollektiv der Wiener Gruppe.

Wiener war in erster Ehe mit der Künstlerin Ingrid Wiener verheiratet. Seiner zweiten Ehe mit der Künstlerin Lore Heuermann entstammen drei Kinder. Eine Tochter ist die TV-Köchin und Politikerin Sarah Wiener.

Christian Skrein / Imagno / picturedesk.com

1935
Geburt. 5. Oktober in Wien.

1954
Theoretischer Kopf. Jüngstes Mitglied der Wiener Gruppe.

1968
Uni-Happening. Vortrag über künstliche Intelligenz.

1969
Hauptwerk. "Die Verbesserung von Mitteleuropa, Roman".

1989
Auszeichnung. Großer Staatspreis für Literatur.

(red.)

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