Pflege

Kompetenz für moderne Versorgung

Mit entsprechender Weiterbildung sind Pflegekräfte in der Lage, sowohl am Krankenbett als auch in Spitälern und Pflegeeinrichtungen mehr Verantwortung zu übernehmen.
Mit entsprechender Weiterbildung sind Pflegekräfte in der Lage, sowohl am Krankenbett als auch in Spitälern und Pflegeeinrichtungen mehr Verantwortung zu übernehmen. (c) Getty Images (FG Trade)
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Lehrgänge für „Advanced Nursing Practice“ sollen die Handlungskompetenz von Pflegenden erweitern und neue berufliche Perspektiven eröffnen.

Die Covid-Krise wirkt in manchem Bereich wie ein Vergrößerungsglas. Der schon vor der Pandemie bestehende Personalmangel in der Pflege zum Beispiel führt in Kombination mit der nunmehrigen Überbelastung dazu, dass derzeit viele Pflegekräfte nicht nur den Ausstieg aus dem Spitalswesen, sondern aus der gesamten Gesundheitsbranche erwägen. „Gerade in der Krise wird die besondere Bedeutung der Pflege sichtbar und die Notwendigkeit aufbauender Spezialisierungen deutlich“ sagt Silvia Neumann-Ponesch, Lehrgangsleiterin an der FH Oberösterreich. Neumann-Ponesch leitet einen akademischen Lehrgang für Advanced Nursing Practice (ANP), also für die erweiterte, vertiefte Pflegeexpertise – ein international definiertes Modell, das sich in etlichen Ländern bereits vor Jahrzehnten etabliert hat.

Bei dem Linzer Programm handelt es sich um einen der ältesten FH-Lehrgänge in Österreich für die Weiterqualifizierung diplomierter Pflegepersonen zu Advanced Practice Nurses (APNs). Den langjährig berufstätigen Studierenden stehen acht Vertiefungen zur Auswahl – von Gerontopsychiatrie über Kultursensible Pflege bis zu Wund- und Stomamanagement. Eine gerade in Covid-Zeiten hochaktuelle neunte Vertiefung wird derzeit gerade vorbereitet: Ab April soll im Lehrgang ANP erstmals eine Vertiefung zur Rolle der Respiratory Nurse starten. Auch wenn der Lehrgang am Weiterbildungszentrum der FH OÖ nicht zu einem Mastergrad führt, gilt er mit 90 ECTS-Punkten als Spezialisierung auf hohem wissenschaftlichen und praktischen Niveau.

Ein Master-Lehrgang für ANP wurde neu am Wiener Campus Rudolfinerhaus zusammen mit der FH Wiener Neustadt entwickelt. Er soll jährlich starten und wurde im Unterschied zum Linzer Lehrgang als generalistisches Studium konzipiert. Elisabeth Sittner, Leiterin des Campus Rudolfinerhaus, möchte die Studierenden durch das ANP-Studium primär befähigen, das erworbene Wissen auf den jeweiligen eigenen Tätigkeitsbereich umzulegen. Als Schwerpunkte des Programms wurden die drei Themenkomplexe Erweiterung der Pflegepraxis, Leadership und Organisationsentwicklung sowie Wissenszirkulation zwischen Forschung und Praxis definiert.

Enger Kontakt zu Patienten

Der oft geäußerten Befürchtung, durch eine weitere Akademisierung der Pflege könnte die eigentliche pflegerische Fähigkeit und Zuwendung zu kranken Menschen leiden, treten die Expertinnen entschieden entgegen. Die hohe Kompetenz der APN gehöre ans Patientenbett, sagen beide.

Dies habe sich auch beim internationalen APN-Kongress gezeigt, der im Herbst bereits zum zehnten Mal im Schlossmuseum in Linz abgehalten worden sei, so Neumann-Ponesch. Hochrangige Vertreterinnen etwa der European Federation of Nursing hätten eindrücklich die Autonomie der APNs im anglosächsischen Raum geschildert. „Pflegepersonen, denen nicht die Hände gebunden sind, tragen maßgeblich zur Gesundheitsversorgung in diesen Ländern bei und sind nicht mehr wegzudenken“, so Neumann-Ponesch.

Am Campus Rudolfinerhaus wurde im September ebenso eine Fachtagung zu diesem Thema abgehalten. Auch dort sei „einmal mehr deutlich geworden, dass wir neue Versorgungsstrukturen und -konzepte brauchen“, sagt Sittner. „Für die Lösung komplexer Fragestellungen, wie sie sich uns gegenwärtig stellen, brauchen wir hoch qualifizierte Pflegepersonen, auf Masterniveau ausgebildet, wie international empfohlen.“

Ein anderes Konzept von ANP verfolgt die FH Campus Wien. Hier wurde ein Masterlehrgang für „Advanced Nursing Practice – Schwerpunkt Pflegemanagement“ ins Leben gerufen. Gleichzeitig wurden zwei „Schwester-Master-Lehrgänge“ für Advanced Nursing Counseling (Pflegeberatung) und Advanced Nursing Education (Pflegepädagogik) etabliert. Laut Sabine Schweiger, die diese Programme leitet, zielen all drei auf eine Vertiefung der klinischen Pflegekompetenz ab und verknüpfen die pflegerische Praxis mit neuesten Erkenntnissen aus Pflegewissenschaft und -forschung.

Ökonomische Perspektive

Der Schwerpunkt auf Pflegemanagement beinhaltet laut Schweiger, „dass wir neben der fachlichen Expertise im Curriculum auch ökonomische Aspekte der Gesundheitsversorgung berücksichtigen und Kompetenzen für Management sowie Personalführung vermitteln“. Die ANP-Absolventen steigen – so sie ausreichend Berufserfahrung und fachliche Vertiefung vorzuweisen haben – in das Pflegemanagement ein, etwa als Stations- oder Bereichsleitung,, Pflegedirektion oder Pflegedienstleitung, sagt Schweiger. „Sie tragen die Verantwortung für das Qualitäts-, Projekt- oder Riskmanagement, Einsatzplanung sowie für das Controlling.“

Advanced Nursing Counseling fokussiert auf Pflegeberatung, „etwa um als Case- und Caremanager oder im Entlassungsmanagement, als Community Health Nurse oder in Primärversorgungseinrichtungen zu arbeiten“, so Schweiger. „Didaktische Kompetenzen und Pflegepädagogik finden sich noch ausführlicher im Curriculum von Advanced Nursing Education.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2021)

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