Gewalt gegen Frauen

Jung, männlich und bekannt: Wer in Österreich Frauen tötet

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Archivbild(c) REUTERS (Leonhard Foeger)
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777 Mal wurde ein Mord(-versuch) an Frauen von 2010 bis 2020 angezeigt. Expertin Haller untersuchte das Datenmaterial – und tut es weiter.

Es ist eher Zufall, dass die internationale Aktion „16 Tage gegen Gewalt“ in Österreich zu einem besonders heiklen Zeitpunkt stattfindet. Jedes Jahr legt die Öffentlichkeit zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember einen besonderen Fokus auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Wie schon 2020 müssen Frauen durch den Lockdown auch heuer wieder die meiste Zeit dort verbringen, wo es für sie besonders gefährlich sein kann: zu Hause.

Frauen und Familien, die sich in einer Notlage befinden, sollen und können sich Hilfe holen. Dazu rief auch die Bundesregierung am Dienstag auf. Im Bundeskanzleramt fand ein Gewaltschutzgipfel statt, zu dem auch Fachleute und Expertinnen geladen waren. Sie sollten sich darüber austauschen, wie die Gewaltprävention in Österreich verbessert werden kann. Denn im EU-Vergleich töten in diesem Land besonders viele Männer Frauen.

Die Regierung hatte die Gewaltforscherin Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung beauftragt, das österreichische Datenmaterial zu sammeln und auszuwerten. Eine erste Analyse wurde am Dienstag präsentiert: Haller untersuchte insgesamt 777 Fälle von Anfang 2010 bis Ende 2020. 319 Mal davon wurde ein Mord angezeigt, 458 Mal war es ein versuchter Mord.

Und das erste Fazit? Sie sei durch die Untersuchung eher bestätigt als überrascht worden, sagt Haller im Gespräch mit der „Presse“. In mehr als 80 Prozent der Fälle kannten sich mutmaßliche Täter und Opfer, in mehr als 60 Prozent der Fälle standen sie in einer familiären Beziehung.

Nicht nur Femizide untersucht

Das sei besonders auffällig, weil nicht nur Femizide untersucht wurden – so wird die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts genannt. Sondern alle Fälle, in denen der (versuchte) Mord an einer Frau angezeigt wurde. Im untersuchten Zeitraum waren 90,5 Prozent der mutmaßlichen Täter männlich.

Gewalt an Frauen in Österreich
Gewalt an Frauen in Österreich Gregor Käfer

Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) strichen öffentlich noch drei Zahlen hervor: Der Großteil der Tatverdächtigen und Opfer war unter 39 Jahre alt. Sieben von zehn Opfer hatten die österreichische Staatsbürgerschaft. Bei den Tatverdächtigen waren es zwei Drittel.

Spannender wird laut Haller die qualitative Auswertung: Dafür werden auch Gerichtsakten analysiert. So soll unter anderem klar werden, wie oft die Polizei zuvor welche Maßnahmen getroffen hat. Untersucht werden Morde in den vergangenen fünf Jahren. Das Gesamtergebnis will Haller dann etwa in einem Jahr vorlegen.

Hilfe

Hilfe und Informationen für von Gewalt bedrohte Frauen gibt es unter anderem bei der Frauenhelpline unter: 0800/222 555, www.frauenhelpline.at, beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser unter www.aoef.at und der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at.

Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Tel.: 0800/112-112, www.opfernotruf.at; droht akute
Gewalt, rufen Sie sofort den Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen

Beratung für Männer: http://www.mannsprichtsan.at - Männerinfo - die
Krisenhotline 0800 400 777

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2021)

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