Wegwerfgesellschaft

Jedes dritte Paket geht retour: Konsumrausch mit schweren Nebenwirkungen

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Symbolbild(c) REUTERS (Robert Galbraith)
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Die Schattenseite des geradezu explodierenden Online-Handels: Verramschung und Vernichtung von rückgesendeter Kleidung und retournierten Elektronik-Artikeln.

Gerade in Zeiten von Lockdowns geht die Zahl der Online-Bestellungen nach oben wie eine Rakete. Die Umweltorganisation „Greenpeace“ hat dazu recherchiert und eine Auswertung erstellt, welche sich den Schattenseiten des vorweihnachtlichen Kaufrausches einer genaueren Betrachtung widmet.

Demnach wurden im Vorjahr 139 Millionen Pakete an Privathaushalte verschickt; jedes dritte ist wieder retourniert worden. 2020 wurde eine Steigerung von 17 Prozent (gegenüber 2019) registriert. Im Vorjahr dürfte der Inhalt von 1,43 Millionen Paketen „entsorgt“ worden sein – allein aus den Bereichen Kleidung und Elektronik.

Lisa Panhuber, Konsumentensprecherin von Greenpeace, rechnet  damit, dass im Dezember wieder Rekordwerte erreicht werden - auch bei den Artikeln, die - obwohl völlig neu - weggeworfen werden.  Basis für die Abschätzung des Verhaltens österreichischer Konsumentinnen liefert eine  umfassende Studie, die das deutsche „Institut für Ökologie und Politik“ im Auftrag des Europäischen Umweltbüros in Brüssel ermittelt hat. Diese Zahlen beziehen sich auf die EU-Staaten.

Demnach gibt es beim Ausmaß der weggeworfenen Waren eine Schwankungsbreite, die zwischen vier bis zehn Prozent (Elektroartikel) und zehn bis 20 Prozent (bei Kleidungs-Bestellungen) liegt. Panhuber: „In der Berechnung der österreichischen Situation sind wir ausschließlich von den geringsten Prozentsätzen der vernichteten Waren ausgegangen.“ Soll heißen: Die Wahrscheinlichkeit, dass mehr zurückgeschickt und weggeworfen wird, ist nicht gering. Und noch eine Wahrscheinlichkeit: Während bei Kleidung im Schnitt etwa jedes zweite Online-Paket retour geht, ist dies bei Elektronik-Artikeln nur bei einem Siebtel wahrscheinlich. Sind die Annahmen korrekt, dann bedeutet dies, dass in Österreich pro Kopf 5,2 Pakete zurückgeschickt werden.

Katastrophale Folgen

Für Panhuber geht diese Entwicklung vor allem auf Konto der großen Online-Händler: Der Markt werde „überschwemmt“ mit „Billigware“, die Konsumentinnen würden zu Impulskäufen „animiert“. Vernichtet würde die Ware oft auch deshalb, weil Lagerung zu teuer komme. Auch das Verramschen dieser Artikel habe einen schwerwiegenden ökologischen- und nicht selten auch sozialen - Rucksack.

Die Folgen sind katastrophal: Es werde nicht nur unglaublich viel an Ressourcen verschwendet, sondern auch Unmengen an Energie. Auch aus der Perspektive der dabei entstehenden Treibhausgase sei diese Vorgangsweise untragbar. Der footprint sei unverantwortlich.

Lobend erwähnt werden von Greenpeace zwei Versandhäuser (Otto und Universal), die von 2019 auf 2020 die Retourenquote teilweise um mehr als ein Fünftel, insgesamt aber immerhin um ein Zehntel verringert hätten.

Freiwillige Maßnahmen hält Greenpeace jedenfalls für unzureichend. Panhuber formuliert drei Forderungen der Umweltorganisation: Sie tritt ein für „ein gesetzliches und sanktionierbares Verbot, neuwertige Waren zu vernichten, das sowohl für Hersteller als auch für Händler gelten muss.“

Außerdem sollen Reparaturdienstleister gefördert werden, ebenso Leih- und Sharing-Systeme. Zu guter Letzt sollen Hersteller dazu verpflichtet werden, Geräte so zu erzeugen, dass sie repariert werden können, und zwar „mit zumutbarem Aufwand“. In Deutschland gibt es eine „Obhutspflicht", die den Händler in die Pflicht nimmt, der die Ware verkauft. Derzeit allerdings fehlt noch eine Verordnung, um der Bestimmung Zähne zu verleihen.

Der Gesamtwert der Waren, die zurückgeschickt werden, ist übrigens beachtlich. In den Bereichen Kleidung und Elektronik wird der Wert (für die gesamte EU) derzeit auf drei bis 16 Milliarden Euro geschätzt. Ohne Gegensteuern schnellen diese Beträge bis zum Jahr 2030 auf 13 bis 71 Milliarden hoch.

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