Sisi
ORF

Sisi in Schwarz statt in Zuckerlrosa

In der sechsteiligen TV-Serie „Sisi“ gibt Dominique Devenport die angehende Kaiserin als temperamentvollen Teenager mit Sex-Appeal. Befreit von Kitsch und dem gehauchten „Franzl!“ wird daraus eine royale Lovestory mit modernem Touch.

Possenhofen 1853. Die 15-jährige Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, Herzogin in Bayern, räkelt sich im Bett und masturbiert gerade genüsslich, als ihre Schwester Helene hereinplatzt. Doch statt vor Scham zu erröten, findet Helene das interessant und neckt Elisabeth deswegen. Dass sich das so zugetragen hat und die jungen Damen das pikante Thema dann auch noch am Rande des Familienessens leise besprochen haben (samt verschlingendem Blick auf den jungen Grafen, der Elisabeths Fantasie beflügelt hat), darf bezweifelt werden. Aber die neue „Sisi“-Serie ist auch keine historische Dokumentation, sondern eine Dramatisierung, in der sich die Autoren mit viel dichterischer Freiheit austoben, während sie sich am Gerüst der historischen Ereignisse entlang hanteln.

Schon sieht man die künftige Kaiserin stehend auf einem Pferd voltigieren. Da ist sie also, die sportliche Sisi, wie sie das ihr zugeschriebene Klischee sogar noch übertrifft. Es ist ein anderes Bild als früher, ebenfalls überzeichnet: Das ist nicht mehr das süße Mädel, als das Romy Schneider sie einst verkörpert hat, deren zart gehauchtes „Franzl!“ 66 Jahre später Eingang in einen Werbespot gefunden hat.

Teenager mit Sex-Appeal

In der sechsteiligen Serie, die ab 28.12. jeweils in Doppelfolgen auf ORF1 zu sehen ist, wirkt Sisi emanzipierter, draufgängerischer, stärker. Dominique Devenport gibt die angehende Kaiserin als selbstbestimmten, temperamentvollen Teenager mit Sex-Appeal und wirkt dabei viel abgeklärter als die ätherische, damals selber erst 17-jährige Romy Schneider.

Statt Zuckerlrosa wählt die Sisi von 2021 schon einmal unpassendes Schwarz – als Ausdruck ihres Unwillens gegenüber so gut wie allem, vor allem aber gegen die strenge Mutter Ludovika (ebenfalls top besetzt mit Julia Stemberger). Wenn man bedenkt, dass die spätere Kaiserin tatsächlich noch in der Pubertät steckte, als ihr Franz Joseph den Antrag machte, wirkt das durchaus plausibel.

Der Kaiser als Actionheld

Auch er ist in dieser Neuinterpretation nicht der harmlos wirkende „Franzl“, wie ihn Karlheinz Böhm dargestellt hat. Jannik Schümann gibt den Kaiser als bereits in jungen Jahren hart durchgreifenden Militär, der aufrührerische Untertanen gnadenlos an den Galgen hängen lässt. Und als draufgängerischen Verehrer, der die Häscher, die ihn und Sisi im Wald überfallen, in Actionheldenmanier niedermetzelt.

Es sind Momente wie dieser, die die Serie attraktiv machen. Die Leerstellen der historischen Überlieferung werden mit Fiktion befüllt, mit intimen Begegnungen und emotional aufgeladenen Ereignissen. Dadurch wirken die Royals nicht so überhöht und unnahbar. Wie hat Helene reagiert, als der Kaiser sich statt für sie für ihre jüngere Schwester entschied? Wir wissen es nicht. Aber die Verwechslungs- und Eifersuchtsszene peppt die historische Lovestory auf und ist auch für die Generation Tinder gefühlsmäßig nachvollziehbar.

Sisi-Boom in Film und Serie

Eine bildhübsche junge Frau, in die sich der Kaiser verliebt. Die prunkvolle Hochzeit, der Aufstieg zur beliebten Kaiserin. Das Leben bei Hof voller Luxus, aber auch mit strengem Zeremoniell. Der Tod der kleinen Tochter . . . Schicksale aus Königshäusern finden ihr Publikum. Das zeigt auch ein wahrer Boom an Sisi-Verfilmungen: Netflix dreht gerade „The Empress“ und zeichnet die Kaiserin darin genderfluid und bisexuell. Ins Kino kommen Marie Kreutzers „Corsage“ (über die alternde Sisi) und Frauke Finsterwalders „Sisi und ich“. Auch „The Crown“-Co-Autorin Amy Jenkins hat sich des Stoffs angenommen. Für den ORF entstaubt Regisseur Sven Bohse („Ku'damm 59“, „Tatort: Borowski und das Land zwischen den Meeren“) das historische Drama. Er nimmt dem Mythos um die beliebte Kaiserin den Kitsch und erzählt ihre Geschichte flott, modern und zeitgemäß.

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