So provokant, dass sich für ihr Debüt trotz internationalem Erfolg kein großer deutscher Verlag fand: Katharina Volckmer.
Buch der Woche

Wie war Hitler im Bett?

Eine junge deutsche Frau, die einem jüdischen Arzt ihren Unterleib und auch sonst ihr Inneres enthüllt: Katharina Volckmer hat mit „Der Termin“ einen rastlosen Monolog geschrieben, der vulgär und klug ist und Spaß macht.

Als Philip Roth Mitte dreißig war, also etwa so alt wie Katharina Volckmer jetzt, schrieb er seinen vielleicht provokantesten, sicher aber seinen komischsten Roman. „Portnoys Beschwerden“ hieß er und handelte von einem neurotischen jüdischen Mann auf der Couch eines Psychiaters. Da liegt er also und schwadroniert, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und nicht wieder zurück, vor allem aber erzählt er von seinen sexuellen Eskapaden, darunter frühe Masturbationsexzesse und ein prägendes Erlebnis als Teenager: Als ihm das erste Mal ein Mädchen einen bläst, ist er zu gehemmt. Just als er sich die Hose wieder hochziehen will, kommt er zum Höhepunkt – das Ejakulat spritzt ihm ins Auge. Es brennt! Und er stellt sich vor, wie er nach Hause kommt, an der Leine einen Hund, und als seine Mutter – eine klischeehaft überfürsorgliche jüdische Mutter – ihn zur Rede stellt, der Köter müsse weg, der mache nur Dreck, sagt er: „Er bleibt. Das ist mein Blindenhund.“

Der Arzt, der diese Suada wortlos über sich ergehen lässt, heißt in Roths Roman Dr.Spielvogel. Bei Katharina Volckmer heißt er Dr. Seligman. Er ist kein Psychiater, sondern plastischer Chirurg, und es monologisiert nicht ein neurotischer jüdischer Mann über Sex und jüdische Schuldgefühle, sondern eine neurotische deutsche Frau über Sex und deutsche Schuldgefühle. Es wäre, formulieren wir es vorsichtig, schon ein großer Zufall, hätte Katharina Volckmer den Roman Philip Roths nicht gelesen.

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