Energie

Ökostrom made in China

Die Winterspiele in Peking werden klimaneutral über die Bühne gehen. Manche bezahlen dafür einen hohen Preis.
Die Winterspiele in Peking werden klimaneutral über die Bühne gehen. Manche bezahlen dafür einen hohen Preis.(c) imago images/VCG (via www.imago-images.de)
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Viele Bauern verlieren ihr Land, weil dort für die Winterspiele in Peking grüne Energie produziert wird.

Peking. Sie werden geschlagen, von ihrem Land vertrieben oder inhaftiert: Bauern in China zahlen eigenen Angaben zufolge einen hohen Preis für das Versprechen der Regierung, die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking vollständig mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Aber die Anlagen dafür brauchen Platz, laut Aktivisten müssen zahlreiche Bauern dafür ihre Felder räumen.

Zu den betroffenen Landwirten zählt die Familie Long, die in der Nähe der Hauptstadt Peking ihre Felder bestellt. Die Familie berichtet, dass sie mehr als die Hälfte ihres Ackerlandes für den Bau einer Solarfarm abtreten musste. Nun sei ihr Einkommen so gering, dass sie Maishülsen und Plastiksackerln verbrennen müssten, um im Winter nicht zu frieren.

„Uns wurden nur 1000 Yuan pro mu Land im Jahr versprochen, als das Energieversorgungsunternehmen das Land für 25 Jahre pachtete“, sagt Bauer Long. Er bezieht sich auf das chinesische Flächenmaß mu, das etwa 667 Quadratmetern entspricht – dafür erhält der Bauer im Jahr umgerechnet also rund 139 Euro. „Wir könnten mehr als doppelt so viel verdienen, wenn wir auf der gleichen Fläche Mais anbauen“, sagt Long.

China ist der größte Hersteller von Windturbinen und Solarzellen. Die Winterspiele dürften für die Hersteller eine gute Gelegenheit sein, um globale Aufmerksamkeit für ihre Produkte und Technologien zu erlangen. Um einen reibungslosen Ablauf der Spiele zu gewährleisten und Peking vom Smog der Wintermonate zu entlasten, wurde in der angrenzenden Provinz Hebei ein riesiges Kraftwerk gebaut, das Strom aus erneuerbaren Energiequellen bezieht. Die Anlage erzeugt im Jahr 14 Mrd. Kilowattstunden Ökostrom, was dem jährlichen Energieverbrauch Sloweniens entspricht.

40 Tage im Gefängnis

Doch für Bauern wie Long und seinen Nachbarn Pi macht der Wandel zur grünen Energie das Leben schwieriger und gefährlicher. Die Dorfbewohner von Huangjiao wurden nach Pis Schilderungen gezwungen, Verträge zu unterzeichnen, in denen sie ihr Land für einen von der State Power Investment Group (SPIC) – einem der größten Energieversorger des Landes – errichteten Solarpark verpachten. Diejenigen, die nicht einwilligten, seien von Polizisten geschlagen worden: „Einige wurden ins Krankenhaus eingeliefert, andere wurden festgenommen.“ Pi sagt, er habe 40 Tage lang im Gefängnis gesessen, sein Nachbar Long sei nach der Teilnahme an einem öffentlichen Protest für neun Monate inhaftiert worden.

Ob auch der Strom aus dem SPIC-Solarpark in der Nähe von Huangjiao für die Stromversorgung der Olympischen Spiele genutzt wird, ließ sich nicht verifizieren. Die Behörden von Zhangjiakou – einer der Städte, welche die Spiele ausrichten – erklärten jedoch, dass sich die Region Hebei in „den größten Standort für erneuerbare Energien ohne Wasserkraft in China verwandelt“ habe.

Nach Angaben von Amnesty International gehen mit diesem Wandel zum Ökostrom in China zahlreiche Menschenrechtsverletzungen einher. Die Organisation prangert Zwangsräumungen, illegale Beschlagnahmung von Land und den Verlust von Lebensgrundlagen vieler Chinesen an.

Bis 2030 will China 25 Prozent seines Stroms aus nicht-fossilen Brennstoffen gewinnen. Um das Ziel zu erreichen, muss das Land seine Wind- und Solarkapazität verdoppeln. Experte Jiang Yi von der Chinesischen Akademie für Ingenieurwesen sagte einer staatlichen Nachrichtenseite, China werde 30.000 bis 40.000 Quadratkilometer mehr Land benötigen. „Die Frage, woher sie das Land nehmen sollen, ist zum größten Hindernis für die Entwicklung der Branche geworden“, sagte er. (afp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2022)

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