Nachruf

Inkarnation des Wiener Geigers: Walter Barylli ist tot

Der langjährige philharmonische Konzertmeister Walter Barylli ist 100-jährig gestorben.

Er war der Inbegriff des wienerischen Musikers, durch und durch in der Geigentradition seiner Stadt aufgewachsen und schon in jüngsten Jahren Mitglied der Philharmoniker. Mit 17 schaffte Walter Smykal, der bald den Namen Barylli führte, das Probespiel – aus durchaus traurigem Anlass, denn mit dem sogenannten Anschluss Österreichs hatten jüdische Mitglieder das Orchester verlassen müssen. Doch Baryllis Können war außergewöhnlich. So avancierte er rasch zum Konzertmeister, eine Position, die er für mehr als drei Jahrzehnte behielt.
Die Philharmoniker wussten, was sie an diesem Musiker hatten, widmeten ihm einmal sogar ein ganzes Konzertprogramm.

Aufnahmegeschichte schrieb er als Primgeiger des Barylli-Quartetts, dessen legendäre Einspielungen allerdings eher in Japan als in Europa greifbar blieben. Sie dokumentieren eine Spieltradition, die sich über die Lehrer-Persönlichkeiten Baryllis direkt bis zum Gründervater der Wiener Geigenschule, Joseph Böhm, zurückverfolgen lässt. Barylli hat lange Zeit auch am Wiener Konservatorium unterrichtet und dafür gesorgt, dass die Staffette weitergereicht wurde.

Für die Nachgeborenen ist es in Zeiten der universellen Nivellierung eine unschätzbare Quelle, etwa die Gesamtaufnahme der Beethoven-Streichquartette durch das Barylli-Quartett zu besitzen. Ganz zu schweigen von Schubert-Aufnahmen oder Wiedergaben der Werke eines Franz Schmidt.

Als Solist ist Walter Barylli in einer Aufnahme von Mozarts D-Dur-Violinkonzert (KV 218) mit seinen philharmonischen Kollegen unter Clemens Krauss zu hören, die jahrzehntelang verschollen war und erst vor einigen Jahren von der Wiener Firma Preiser wieder in den Handel gebracht wurde. Der gradlinige, unverzärtelte Ton dieser Wiedergabe kann als Lehrstück für eine unverfälschte Wiener Klassiker-Interpretation gelten.

Barylli, Vater des Romanciers und Schauspielers Gabriel Barylli, verfasste als Zeitzeuge seine Erinnerungen und war oft in TV- und Radio-Dokumentationen zu hören.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.