Energie

Die OMV schreibt Russland ab

Die OMV überdenkt aus aktuellem Anlass ihre Strategie und muss bis zu 1,8 Mrd. Euro abschreiben. In Russland soll es künftig keine Investitionen mehr geben.

Wien. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine überdenkt der teilstaatliche österreichische Ölkonzern OMV seine Russland-Strategie. Es werde in Russland künftig keine Investitionen mehr geben. Die 24,99-Prozent-Beteiligung am Erdgasfeld Juschno Russkoje werde „strategisch überprüft“, teilte der Konzern am Samstagabend nach einem Vorstandsbeschluss mit. Diese Überprüfung beinhalte alle Optionen einschließlich Möglichkeiten einer Veräußerung oder eines Ausstiegs, so die OMV.

Als Folge muss die OMV 500 bis 800 Mio. Euro abschreiben. Das werde das berichtete operative Ergebnis im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs belasten. Dazu kommt eine weitere Abschreibung von fast einer Milliarde Euro wegen der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2. Die OMV war an deren Finanzierung beteiligt, die Pipeline dürfte nun aber nicht in Betrieb genommen werden. Die OMV nehme „wegen der erwarteten Uneinbringlichkeit der Forderungen gegenüber der Nord Stream 2 AG eine Wertanpassung in Höhe von 987 Mio. Euro (Ausleihung plus Zinsabgrenzung, Stand 31. Dezember 2021) vor“.

Bereits Anfang der Woche hatte die OMV angekündigt, alle Verhandlungen mit Gazprom über den Erwerb einer 24,98-Prozent-Beteiligung an den Blöcken 4A/5A der Achimov-Formation des Urengoi-Erdgas- und Kondensatfelds zu beenden. Die zugrunde liegende Vereinbarung vom 3. Oktober 2018 wurde gekündigt. „Der Krieg in der Ukraine ist eine tragische und bedrohliche Situation, die für viele Menschen großes Leid bedeutet und die uns sehr betroffen macht. Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Menschen, die direkt und indirekt Opfer des russischen Militärschlages sind. Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfhandlungen. Nur im Frieden kann es Freiheit und Wohlstand geben“, so Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der OMV.

Schlagabtausch Roiss/Wolf

Unterdessen meldete sich der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss am Wochenende in einem Interview mit dem „Profil“ zu Wort. Österreich und die OMV seien von einer Gruppe von Leuten gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt worden. „Diese Leute haben ihre eigenen finanziellen Interessen über jede Moral gestellt“, sagte er. Die große Abhängigkeit von russischem Gas, wie sie aktuell der Fall sei, hätte laut Roiss nicht sein müssen. Österreich ist zu 80 Prozent von russischen Erdgaslieferungen abhängig. In der EU sind es durchschnittlich 40 Prozent. Man sei auf einem „vielversprechenden Weg“ gewesen, 2012 habe die OMV im Schwarzen Meer vor Rumänien den größten Gasfund in ihrer Geschichte verzeichnet, sagte Roiss. Seine Annahme sei gewesen, dass man mit dem Projekt „Neptun“ jährlich rund drei Milliarden Kubikmeter Gas nach Österreich liefern hätte können, was ein Drittel des Jahresbedarfs gedeckt hätte. Doch es sei anders gekommen, die OMV habe Basis dafür sein sollen, die wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland zu vertiefen. „Der OMV-Konzern sollte als eine Art Schrittmacher dienen. Da wurde kräftig lobbyiert.“

Umgehend reagiert auf die Aussagen von Roiss hat der Manager Siegfried Wolf, seinerzeit Aufsichtsratsvorsitzender der Staatsholding ÖIAG, die für den Staatsanteil von 31,5 Prozent an der OMV zuständig war. Wolf kündigte am Wochenende rechtliche Schritte an. „Über Aktivitäten der OMV entschied einzig und allein der Vorstand der OMV und musste diese Entscheidungen von seinem eigenen Aufsichtsrat beschließen lassen, dem ich nie angehört habe. Ich habe auf Entscheidungen, welche Gas- oder andere Energie-Quellen die OMV erschließt oder woher die OMV ihr Gas oder ihr Öl bezieht, nie direkt oder indirekt Einfluss ausgeübt“, so Wolf in einer Presseaussendung. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2022)

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