„Die Umweltprobleme haben sich verändert“

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Herbert Greisberger, Generalsekretär der ÖGUT, über die Krise und die Prioritäten für die Zukunft. Es gibt nur wenige Rohstoffe, auf die wir uns verlassen können und das sind vor allem die erneuerbaren.

Die Presse: Ist die Nachhaltigkeit in Zeiten der Wirtschaftskrise in der Krise?

Herbert Greisberger: Nein. Die Nachhaltigkeit ist kein Schönwetterphänomen. Das Konzept ist mit den drei Standbeinen Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit sehr breit aufgestellt. In der Krise hat sich aber die Gewichtung etwas verschoben. Nun geht es mehr darum, wie man das Soziale in den Griff bekommt und wie man die Wirtschaft wieder auf Vordermann bringt.

Das Wort Nachhaltigkeit wurde in den letzten Jahren inflationär verwendet und dadurch entwertet.

Das Wort wird vielfach verwendet, um etwas zu überdecken. Es ist ein Wohlfühlbegriff. In der Krise funktioniert aber das Schönreden nicht mehr. Im Kern ist die Nachhaltigkeit in einer Krise viel relevanter – denn wir müssen jetzt entscheiden, wie es in Zukunft weitergehen soll. Das bedeutet, dass nicht die Nachhaltigkeit in der Krise ist, sondern die missbräuchliche Verwendung des Begriffs.

Ist die Ökologie – der dritte Aspekt der Nachhaltigkeit – in der Krise?

In der Befragung sieht man deutlich, dass die soziale Frage große Sorgen auslöst. Das entspricht auch dem Leben der Menschen. Die Umweltprobleme haben sich verändert, das Wasser ist sauberer geworden, es gibt eine spürbar gute Umwelt. Die Fragen haben sich auf eine höhere Ebene verschoben: Jeder weiß, dass der Klimawandel wirklich eine Gefahr ist, aber das ist persönlich nicht in dem Maße fühlbar, man bekommt es emotional nicht so mit.

In welche Richtung sollte die Entwicklung aus Ihrer Sicht gehen?

Es gibt nur wenige Rohstoffe, auf die wir uns verlassen können – und das sind vor allem die erneuerbaren. Wir haben zwar noch Zeit, aber man muss trotzdem jetzt anfangen, um z.B. Alternativen zum fossilen Plastik zu entwickeln. Denn nur wenn man die Alternativen hat, können wir sie einsetzen, wenn wir sie benötigen. Da braucht es Forschungsanstrengungen.

Es gibt zwei Denkschulen, wie man mit der Verknappung von Ressourcen umgeht: bessere Technologien, um sie effizienter zu nutzen, oder eine grundlegende Änderung des Systems.

Der technologische Zugang ist natürlicherweise der Erste, denn er ist der bequemere Weg. Es hat sich aber gezeigt, dass die technologische Effizienzsteigerung nicht ausreichend ist und zu keiner Trendumkehr führt. Wir müssen daher auch fragen: Ist die Gesellschaft richtig unterwegs? Es bedarf auch einer Änderung der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit.

Muss das Wirtschaftssystem grundlegend umgestellt werden?

Ich halte das nicht für notwendig. Unser Wirtschaftssystem ist sehr erfolgreich, es produziert Wohlstand und Innovationen. Als Herausforderung sehe ich das Auseinanderklaffen von Arm und Reich. Das muss man einbremsen. Das ändert aber am Grundprinzip des Wirtschaftens nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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