Der Spitzendiplomat und neue OIIP-Präsident Wolfgang Petritsch über die Folgen des Ukraine-Kriegs für Südosteuropa, Russlands Genozidvorwürfe und sein Déjà-vu aus dem Konflikt in Ex-Jugoslawien.
Die Presse: Sie waren Ende der 1990er-Jahre Vermittler im Kosovo-Konflikt. Wie kann man in einer so prekären Lage wie im Ukraine-Krieg noch erfolgreich nach einer diplomatischen Lösung suchen?
Wolfgang Petritsch: Die Gesprächsfäden zu Wladimir Putin dürfen nicht abreißen, auch wenn das vorerst nicht zu Ergebnissen führt. Es müssen alle Ebenen genützt werden – auch die persönliche. Alle, die zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin noch einen Draht haben, müssen signalisieren: Wir sind bereit zu reden. Es bedarf auch inhaltlicher Flexibilität. Aber dabei sollte klar sein: Der Westen darf keinesfalls über den Kopf der Ukrainer hinweg entscheiden. Kompromisse dürfen nur von Kiew geschlossen werden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij zeigt da ohnehin Realismus.